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Stress im Studium: Lernumfeld entscheidend

Gießener Forschende ergründen Ursachen für erhöhten Studienstress während der Pandemie – Wichtige Erkenntnisse auch für den „normalen“ Studienbetrieb

Nr. 84 • 28. Mai 2024 

Viele Studierende haben ihr Studium während der Pandemie als belastend empfunden. Das ist weithin bekannt – viel weniger wissen wir aber über die genauen Ursachen hierfür. Forschende der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) konnten nun zeigen: Der erhöhte Studienstress ist auf die gestiegenen Anforderungen an Selbstorganisation und Eigenmotivation in den „Corona-Semestern“ zurückzuführen – und damit auch auf das fehlende studentische Lernumfeld. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Scandinavian Journal of Psychology“ veröffentlicht worden.

Laut den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Abteilung Klinische Psychologie an der JLU wiesen die Studierenden während der Pandemie häufiger studienbedingte Ängste, depressive Zustände und Prokrastinationsverhalten (Aufschieben) auf. Zwar seien die realen Wochenarbeitszeiten gleichgeblieben und Klausuren weggefallen; allerdings habe die Umstellung auf digitale Lernformate viel mehr Selbststudium erforderlich gemacht. Die Forschenden vermuten daher, dass die erhöhte Stresswahrnehmung auch am pandemiebedingten Fehlen des studentischen Miteinanders gelegen haben könnte.

„Nicht nur der soziale Austausch mit Kommilitoninnen und Kommilitonen hat den Studierenden gefehlt, sondern auch die direkte Zusammenarbeit mit ihnen, die unter anderem auch ermöglicht, die eigene Studienleistung einzuordnen, und motivierend wirkt“, sagt Prof. Dr. Christiane Hermann, die die Studie geleitet hat. Die mangelnde Interaktion mit anderen Studierenden während der Pandemie hat demnach auch dazu geführt, dass stressverstärkende Gedanken wie „Ich schaffe das nicht!“ oder „Die anderen sind viel weiter!“ die Studierenden vermehrt belastet hätten. 

„Die Studie belegt, wie wichtig das studentische Lernumfeld für die eigene Studienleistung ist“, sagt Dr. Christine Koddebusch, die ebenfalls an der Studie beteiligt war und die Psychologische Beratungsstelle der JLU koordiniert. „Das gilt zwar insbesondere für herausfordernde Zeiten wie eine Pandemie, aber natürlich auch für den normalen Studienbetrieb.“ Auch individuelle Faktoren wie die sogenannte Selbstwirksamkeitserwartung spielen laut der Studie eine wesentliche Rolle für Erfolg oder Misserfolg im Studium: „Je höher das Vertrauen in sich selbst, eine Herausforderung zu bewältigen, desto geringer ist grundsätzlich der Stress, den Studierende wahrnehmen“, erläutert Dr. Koddebusch.

Die Autorinnen und Autoren der Studie befragten im März und Juni 2021 knapp eintausend Studierende zu ihrer Studienbelastung. Diese Daten verglichen sie anschließend mit entsprechenden Umfragen aus den Jahren 2016 und 2017.

 

  • Publikation

Auerswald, Sven; Koddebusch, Christine; Hermann, Christiane (2024): Elevated perceived stress in university students due to the COVID-19 pandemic: Potential contributing factors in a propensity-score-matched sample. In: Scandinavian journal of psychology.
https://doi.org/10.1111/sjop.13013

 

  • Weitere Informationen

Psychologische Beratungsstelle der JLU: kostenlose Beratung für Studierende u.a. zu Lern- und Arbeitsschwierigkeiten, Prüfungs- und Versagensängsten, Depressionen, Angstzuständen und Suchtproblemen.
www.uni-giessen.de/de/fbz/zentren/zfbk/PBS

 

  • Kontakt

Dr. Christine Koddebusch, Dipl.-Psych.
Institut für Klinische Psychologie
Telefon: 0641 99-26087
E-Mail: christine.koddebusch

 

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