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Mit Brief und Siegel: JLU erhält wertvolle Sammlung

Sabine Röder, Enkelin des bekannten Ethnologen Theodor Koch-Grünberg, übergibt der Universität Gießen umfangreiche Siegelsammlung als Schenkung

Nr. 16 • 26. Januar 2024

Sabine Röder, die Enkelin des Ethnologen Theodor Koch-Grünberg, übergibt eine wertvolle Siegelsammlung an Prof. Stefan Tebruck vom Historischen Institut der JLU.
Sabine Röder, die Enkelin des Ethnologen Theodor Koch-Grünberg, übergibt eine wertvolle Siegelsammlung an Prof. Stefan Tebruck vom Historischen Institut der JLU.

Freiherr von Hornstein, Baron Humbracht, Erasmus Bernhard von Jagow, Ritter von Jhering, Freiherr von Imhoff … – die mit der Feder in akkurater Handschrift notierten Namen unter roten Siegeln von unterschiedlicher Größe, Farbintensität und Form lesen sich wie eine Zeitreise zu Angehörigen bedeutender Adelsgeschlechter. Aus dem Nachlass des hessischen Forschungsreisenden Theodor Koch-Grünberg (1872–1924) hat das Historische Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) kürzlich eine wertvolle Siegelsammlung erhalten. Sabine Röder, die Enkelin des prominenten Ethnologen, hat der Universität Gießen die Sammlung als Schenkung übergeben. Die Kollektion umfasst etwa 600 aus Siegellack hergestellte Abdrücke mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Siegel unterschiedlichster Herkunft. Das Spektrum reicht von mittelalterlichen Kaiser- und Königssiegeln über Bischofs- und Fürstensiegel bis hin zu Wappensiegeln zahlreicher Adelsfamilien.

„Der Bestand ist ein besonders wertvolles Beispiel für eine Sammlung, die bis heute vollständig in Familienbesitz geblieben ist und in dieser Geschlossenheit an die Universität übergeht“, sagt Historiker Prof. Dr. Stefan Tebruck, der die Sammlung für die JLU entgegengenommen hat: „Diese Sammlung bietet Anknüpfungspunkte für unterschiedliche Forschungsinteressen.“ Es handelt sich um eine besondere Kollektion, die für die Siegelkunde ebenso aufschlussreich ist wie für die mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte sowie die Kunstgeschichte. Spannend dürften die Geschichten hinter den Namen der Adligen unterschiedlichen Ranges sein, die es zu entdecken und erforschen gilt. 

Aber auch unter dem Blickwinkel der Sammlungsgeschichten des 19. und 20. Jahrhunderts bietet die Siegelkollektion ein reiches Untersuchungsmaterial. In der universitären Lehre sind die Siegelabdrücke als komplexe Bild-Text-Quellen in den Fächern Geschichte und Kunstgeschichte vielfältig einsetzbar. Ihre Materialität könne in fächerübergreifenden Lehrveranstaltungen zu Sammlungs- und Objektforschung untersucht werden, ist Prof. Tebruck überzeugt. Ehe die Siegelsammlung jedoch für Forschende und Lehrende zur Verfügung gestellt werden kann, muss sie zunächst restauriert werden. 

Die Siegelsammlung „Koch-Grünberg“ umfasst etwa 600 aus Siegellack hergestellte Abdrücke mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Siegel unterschiedlichster Herkunft. Fotos: JLU / Katrina Friese 
Die Siegelsammlung „Koch-Grünberg“ umfasst etwa 600 aus Siegellack hergestellte Abdrücke mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Siegel unterschiedlichster Herkunft. Fotos: JLU / Katrina Friese 

Im Namen des gesamten JLU-Präsidiums bedankt sich die Erste Vizepräsidentin Prof. Dr. Katharina Lorenz bei Sabine Röder für die Schenkung der wertvollen Sammlung ihres Großvaters Theodor Koch-Grünberg: „An der Justus-Liebig-Universität gibt es mehr als 50 Sammlungen mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten, die als Teil des institutionellen Gedächtnisses der JLU zugleich ein fester Bestandteil von Forschung und Lehre sind. Wir freuen uns sehr, dass die Siegelsammlung das breite Sammlungsspektrum nun um einen kulturwissenschaftlichen Schatz erweitert.“


Theodor Koch-Grünberg 

Theodor Koch-Grünberg, bekannt auch als Theo Koch, wurde am 9. April 1872 in Grünberg, Hessen, geboren. Der Ethnologe und Forschungsreisende, der wichtige Beiträge zur Erforschung der südamerikanischen indigenen Völker leistete, vor allem der Pemón in Venezuela und von Amazonasstämmen, starb am 8. Oktober 1924 in Vista Alegre, Caracaraí, Brasilien.

Die Anfänge der Siegelsammlung, die jetzt die Sammlungen der JLU bereichert, reichen in das späte 19. Jahrhundert zurück. Theodor Koch-Grünberg, der sie von seinem Vater, dem Grünberger Pfarrer Karl Koch (1836 – 1901) übernahm, ausbaute und katalogisierte, war der Universität Gießen eng verbunden. Er hat hier Klassische Philologie studiert und war anschließend als Lehrer tätig, bevor er sich seit 1898 für die Kultur und Bevölkerung der Amazonas-Völker interessierte und vier Forschungsreisen nach Brasilien und Venezuela unternahm. Seit 1901 arbeitete er am Berliner Völkerkundemuseum, 1913 wurde er nach seiner Habilitation in Freiburg zum Professor ernannt. Zwei Jahre später übernahm er die Leitung des Linden-Museums in Stuttgart, an dessen Spitze er bis zu seinem Tod 1924 stand. 

Die unterschiedlichen ethnographischen Sammlungen, die Koch-Grünberg von seinen Forschungsreisen nach Deutschland mitgebracht hat, sind heute auf verschiedene Standorte verteilt. Der größte Teil der aus den Amazonas-Gebieten mitgebrachten Objekte befindet sich in Berlin, wo die prominentesten Stücke im Humboldt-Forum gezeigt werden. Dass der Ethnologe auch eine umfangreiche Siegelsammlung von seinem Vater übernahm und fortführte, war bislang nicht bekannt. Sein wissenschaftlicher Nachlass wird heute in der Völkerkundlichen Sammlung der Philipps-Universität Marburg verwahrt.

In diesem Jahr wird anlässlich des Todestages von Theodor Koch-Grünberg vor 100 Jahren verstärkt an den Ethnologen gedacht. 

 

  • Weitere Informationen

https://www.uni-giessen.de/de/fbz/fb04
https://www.uni-giessen.de/de/org/admin/stab/stw/sammlungen/cp

 

  • Kontakt

Prof. Dr. Stefan Tebruck
Professur für Mittelalterliche Geschichte
Historisches Institut der JLU Gießen
Otto-Behaghel-Straße 10 C
35394 Gießen
Telefon: 0641 9928130
E-Mail: stefan.tebruck

 

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