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Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Geissel †

* 13. Mai 1950

† 29. April 2024

Foto: G. Otto (GSI)
Foto: G. Otto (GSI)
Die Justus-Liebig-Universität Gießen und ihr Fachbereich Mathematik und Informatik, Physik, Geographie trauern um Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Geissel der am 29. April 2024 im Alter von 73 Jahren nach schwerer Krankheit in Wixhausen verstorben ist.

Als der Physikstudent Hans Geissel in den 1970er-Jahren bei Prof. Dr. Heinz Ewald, der am II. Physikalischen Institut der JLU am Aufbau des Search for Hidden Particles (SHIP) federführend beteiligt war, erstmals von jenem Spitzenforschungsinstitut hörte, das in der Nähe von Darmstadt gebaut werden sollte, war er fasziniert. Die Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) sollte ihn bis zu seinem Lebensende begleiten. Prof. Hans Geissel hat große Teile des wissenschaftlichen Programms maßgeblich geprägt und entscheidende Grundlagen für die zukünftige FAIR-Experimentieranlage gelegt. 
In Alsfeld geboren, von Prof. Dr. Gottfried Münzenberg während seiner Diplom-Arbeit beim Aufbau von Flugzeitdetektoren für das SHIP betreut, wurde Hans Geissel mit einem Thema zur Untersuchung der atomaren Wechselwirkung von energiereichen Schwerionen in Materie 1982 an der JLU promoviert. Seine Postdoc-Zeit von 1982 bis 1984 verbrachte er am ECL-Labor in Chalk-River (Kanada). Es war die Kombination aus Kern-, Atomphysik und Ionenoptik, die für seine wissenschaftliche Arbeit charakteristisch werden und ihn zeitlebens begleiten sollte.
Mitte der 1980er-Jahre begannen an der GSI die konkreten Vorbereitungen zum SIS-ESR-Projekt. In letzter Minute entstand die Idee, einen Fragmentseparator zu integrieren. In Berkeley waren kurz zuvor „exotische Atomkerne“, sogenannte Halo-Kerne, entdeckt worden, und in Caen war ein neues Separationsprinzip für Projektilfragmente entwickelt worden. Niemand wusste zu jener Zeit, wie solch ein Instrument mit relativistischen Strahlen funktionieren könnte. Es waren solche Aufgaben, die Hans Geissel jederzeit motivierten, die pionierhafte Tat, die totale Herausforderung, Neues ermöglichen, Unbekanntes erforschen. 
Ab 1991 folgte eine wissenschaftlich äußerst fruchtbare Periode: ein hochauflösendes Impuls-Spektrometer für relativistische Ionen war ein weltweites Novum für die kernphysikalische Forschung mit Schwerionen und eröffnete zahlreiche neue Forschungsmöglichkeiten; es erschloss einen neuen Energiebereich für Präzisionsexperimente; die Kombination eines Fragmentseparators mit einem Speicherring war einmalig in der Welt – und ist es – mit einer Ausnahme – bis heute geblieben. Das im FRS bei GSI realisierte Konzept eines Fragmentseparators und hochauflösenden Impulsspektrometers wurde weltweit zur Schablone für alle weiteren Experimentieranlagen mit energiereichen exotischen Kernen. Zahlreiche Schlüsselergebnisse sind aufs Engste mit Hans Geissels Wirken verbunden . 
Neben der Leitung der FRS-Gruppe führte Hans Geissel von 1999 bis 2012 die Super-FRS Arbeitsgruppe und war maßgeblich an der Gründung der NUSTAR-Kollaboration beteiligt. Nach der Habilitation 1996 in Gießen wurde er 2001 zum außerplanmäßigen Professor an der JLU ernannt und war ab dem Jahr 2000 am Aufbau der IONAS-Arbeitsgruppe am II. Physikalischen Institut beteiligt (IONAS = Ionenoptik, Nukleare Astrophysik und Struktur exotischer Kerne). Er war und blieb seiner Alma Mater stets eng verbunden; die universitäre Ausbildung junger Forscherinnen und Forscher war ihm besonders wichtig. Er pflegte vielfältige internationale Verbindungen. Ab 2015 war er als Helmholtz-Professor weiterhin bei GSI und an der JLU tätig und widmete sich besonders der Weiterentwicklung des wissenschaftlichen Profils der Super-FRS Experiment Kollaboration, die sowohl den FRS bei GSI als auch den Super-FRS bei FAIR als hochauflösendes Impulsspektrometer zusammen mit neuartigen Detektoren wie dem (Super-)FRS Ion Catcher für neue Experimente nutzt. 
Die wissenschaftliche Arbeit war für Hans Geissel persönliche Leidenschaft und Erfüllung, er empfand sie als ein Privileg und lebte sie als ein die Menschen über Länder-, Sprach- und Kulturgrenzen hinweg verbindendes Element. Wir nehmen Abschied mit allergrößter Wertschätzung und Dankbarkeit.