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Klimawandel in der Antarktis: Natürliche Temperaturschwankungen unterschätzt

Kälteperiode überlagert Einfluss des Menschen

Gemeinsame Pressemitteilung der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU),
des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und der Universität Hamburg

Nr. 56 • 16. April 2015

English version


Für die Entwicklung der globalen Umwelt unter wachsendem menschlichem Einfluss ist die Antarktis von größter Bedeutung, gilt sie doch wegen ihrer riesigen Eismassen als mögliches Kipp-Element im Weltklimasystem. Das teilweise Abschmelzen ihrer Eismassen würde den Meeresspiegel deutlich steigen lassen. Daher ist es besonders wichtig, fundierte Kenntnisse über das Ausmaß der bisherigen anthropogenen – also vom Menschen hervorgerufenen – Erwärmung  der Antarktis zu gewinnen. Wie neue Berechnungen Gießener Physiker zeigen, ist die kausale Unsicherheit über Ursachen der Erwärmung der antarktischen Luft größer als bislang angenommen. In Kooperation mit Wissenschaftlern aus Hamburg und Potsdam konnte nachgewiesen werden, dass die bisherigen Annahmen zur Abschätzung der anthropogenen Erwärmung der Antarktis unzureichend sind.

„Man ist bisher davon ausgegangen, dass es im letzten Jahrhundert in der Antarktis kaum größere natürliche Temperaturschwankungen gab, und hat deshalb fast jede Temperaturerhöhung dem Menschen zugeschrieben“, sagt Prof. Dr. Armin Bunde vom Institut für Theoretische Physik der Justus-Liebig-Universität Gießen. „Die globale Erwärmung als Ergebnis unseres Ausstoßes von Treibhausgasen aus fossilen Brennstoffen ist ein Fakt. In der Westantarktis jedoch ist der menschliche Einfluss um ein Vielfaches kleiner als bisher angenommen. Und in der Ostantarktis lässt sich die Erwärmung sogar ganz ohne menschlichen Einfluss erklären, also nur durch natürliche Schwankungen.“ Eine entsprechende Studie wurde jetzt in der Fachzeitschrift „Climate Dynamics“ veröffentlicht.  

Für die Schmelze der antarktischen Eisschelfe spielt neben der Erwärmung der Luft auch die Erwärmung der Ozeane eine große Rolle. Im Gegensatz zur Lufttemperatur liegen hier jedoch noch keine aussagekräftigen Langzeitdaten vor, die Studie konzentriert sich deshalb auf die Temperaturtrends des Eiskontinents.  Gemeinsam mit Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Dr. Christian Franzke vom Exzellenzcluster für integrierte Klimaforschung (CliSAP) der Universität Hamburg konnten die JLU-Physiker Armin Bunde und Dr. Josef Ludescher zeigen, dass es in der Antarktis große natürliche und sehr beharrliche Temperaturschwankungen gibt.

„Das Klima in der Antarktis, wie auch weltweit, hat eine ausgeprägte natürliche Erhaltungsneigung – es verharrt lange in bestimmten Temperaturbereichen. Dies führt zu einer Berg- und Talstruktur der Temperaturen“, betont Christian Franzke. „Auf ein Tal, also auf eine längere Kälteperiode, folgt stets auch eine längere Wärmephase, und diese  natürliche Erwärmung  muss von der überlagerten anthropogenen Erwärmung unterschieden werden“, ergänzt Armin Bunde. Die Wissenschaftler haben sich dazu nicht nur die Messdaten der einzelnen Stationen angesehen, sondern auch regionale Mittelwerte gebildet. Die Ergebnisse zeigen, dass der Mensch in der Westantarktis einen Anteil an der Erwärmung haben muss – wenn auch einen schwächeren als bislang gedacht. Die Erwärmung der Antarktis insgesamt wird jedoch aller Voraussicht nach bald wieder stärker ansteigen.

Seit mehreren Jahren zeigen die Temperaturkurven in der Antarktis, aber auch weltweit, weniger steil nach oben als in den 1990er Jahren. Hierfür gibt es eine ganze Reihe von Ursachen, darunter das Zwischenspeichern von Wärme in den Ozeanen. Die jetzt von dem deutschen Forscherteam veröffentlichte Studie zeigt auch auf, dass die vom Menschen verursachte weltweite Erwärmung keine Pause macht, sondern durch langfristige natürliche Klimaschwankungen wie die in der Antarktis nur zwischenzeitlich überlagert wird. „Unsere Abschätzungen zeigen, dass wir uns eigentlich gerade in einer natürlichen Abkühlungsperiode befinden – die Temperaturen steigen dennoch langsam und unerbittlich an, weil wir mit unseren Treibhausgasen die Atmosphäre aufheizen“, erklärt  Hans Joachim Schellnhuber. „Gerät die natürliche Kälteperiode an ihr Ende, werden die Temperaturen leider umso heftiger steigen. Weltweit, aber auch in der vom Kippen bedrohten Antarktis.“ In der Tat wurden im März 2015 Rekordhöchsttemperaturen von zwei Antarktis-Messstationen registriert.

  • Publikation

Josef Ludescher, Armin Bunde, Christian L. E. Franzke, Hans Joachim Schellnhuber: Long-term persistence enhances uncertainty about anthropogenic warming of West Antarctica. Climate Dynamics, 16 Apr 2015.
DOI: 10.1007/s00382-015-2582-5
http://link.springer.com/article/10.1007/s00382-015-2582-5


  • Kontakt


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Schlagwörter
Forschung