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MC: Doris Bachmann-Medick: Dinge und Materialität in den Kulturwissenschaften (GCSC)

When

Jun 05, 2018 from 10:00 to 02:00 (Europe/Berlin / UTC200)

Where

Phil I, GCSC, R.001

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06419930046

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Master Class:

Dinge und Materialität in den Kulturwissenschaften

 

1) Dienstag, 5. Juni 2018: 10 – 14 Uhr (MFR)

2) Ertragssitzung: Dienstag, 3. Juli 2018: 11 – 13:30 Uhr (MFR)

 

 

Kultur ist nicht nur Text und Repräsentation, nicht nur Zeichen und Konstrukt, sondern auch Dinglichkeit und Materialität. Nach dem Verblassen des linguistic turn und den Übertreibungen des Textualismus und Konstruktivismus richten die Kulturwissenschaften in letzter Zeit verstärkte Aufmerksamkeit auf physische Präsenz und Evidenz, auf material culture, auf Dinge/Objekte/Sachen als Akteure (vor allem in den Science Studies bzw. der Akteur-Netzwerk-Theorie à la Bruno Latour). Was bedeutet diese Rehabilitation der Dinge und ihre „Emanzipation“ von Sinn- und Diskursbezügen für unsere kulturwissenschaftliche Arbeit? Wird von hier aus ein spezifisches Konzept von Kultur nahegelegt? Wieweit ist damit eine Abkehr von der Subjektfixierung verbunden, ein neuer Schlüssel zu Wirklichkeitsbezügen? Auch Dinge haben eine Geschichte, sie sind für „Identitätsbildungen“ von Subjekten zentral, sie können wichtige historische „Quellen“ und selbst gedächtnisbildend sein.

In der Master Class sollen Ansätze der interdisziplinären Dingforschung aus der Sicht der Material Culture Studies, der Technik-, Konsum- und Kunstgeschichte diskutiert werden. Gefragt werden soll nicht nur: Wie werden Dinge analysiert? Sondern auch: Wie gewinnen Dinge in spezifischen Beziehungen und Austauschprozessen zwischen Subjekten und Objekten ein eigenes Handlungsvermögen? Wie eröffnen sich von da aus neue Erkenntnismöglichkeiten, jenseits der Fixierung auf die Autonomisierung der Subjekte gegenüber den Dingen, wie sie für die Moderne zu lange behauptet wurde.

Für die eigene Arbeit wird zu prüfen sein, wieweit auch in ihr Subjektfixierungen am Werk sind, wieweit Dinge als Akteure auf gleicher Augenhöhe mit Menschen in den Blick kommen können, welche Rolle Dinge im Zusammenhang von Erinnerung und Gedächtnis spielen, inwieweit das Feld der „travelling concepts“ auch auf „travelling objects“ hin ausgedehnt werden sollte. In neuerer Zeit ist zunehmend von „the social life of things“ (Arjun Appadurai) die Rede, von der Unverfügbarkeit und Eigensinnigkeit der Dinge bis hin zu Fetischisierungen. Aus dieser Perspektive eröffnet sich ein weiter Horizont kultureller Objektphänomene zwischen Dingen, Objekten, Waren, Fetischen, Gaben, Kunstwerken, aber auch Müll, der neu gewichtet werden sollte. Dies gilt auch für das weite Problemfeld von Ausstellen, Sammeln, Aneignen, Konsumieren. Auch im Feld der symbollastigen Literaturwissenschaften wäre zu fragen, wieweit selbst dort eine neue Rückbesinnung auf Materialität und „Wirklichkeit“ im Gange ist.

 

Die MC besteht in ihrem 1. Teil aus einer Einführungsvorlesung in das Problemfeld, im 2. Teil aus der Diskussion der angegebenen Texte. Im 3. Teil sollen konkrete Anwendungsbezüge zu den eigenen Arbeiten hergestellt werden, die durch evtl. vorher eingereichte Fragen noch effektiver vorbereitet werden könnten. In einer „Ertragssitzung“ gegen Ende des Semesters wird Gelegenheit gegeben, aus einem Abstand heraus die konkreten Anwendungsmöglichkeiten noch einmal zu überdenken, sie zur Diskussion zu stellen und zu vertiefen.       

 

Diskussionsgrundlage:

 

- Andreas Ludwig: Materielle Kultur, in: docupedia Zeitgeschichte 2011,

http://docupedia.de/zg/ludwig_materielle_kultur_v1_de_2011.

- Bernhard Siegert: Türen. Zur Materialität des Symbolischen, in: Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung 1 (2010), 151–170, bes. 166–170.


// Dr. Doris Bachmann-Medick