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Online-Workshop "Mehrsprachigkeit in der Ukraine, Belarus und im Baltikum: aktuelle Tendenzen und historische Hintergründe" (03.06.2022)

! Hinweis: Aufgrund der aktuellen Ereignisse wurde die Veranstaltung vom 17.3. auf den 3.6. verschoben !

 

 

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CfP

Programm

 

Sowohl die Ukraine als auch Belarus sorgen seit geraumer Zeit weltweit für Schlagzeilen, wobei die innen- und außenpolitischen Konflikte großen Einfluss auf die Sprach(en)situation dieser mehrsprachigen Länder haben. Dies gilt sowohl für die „von oben“ gesteuerte staatliche Sprach(en)politik als auch in der „bottom-up“-Perspektive für den Sprachgebrauch der Bevölkerung. Die beiden benachbarten Staaten Litauen und Lettland verfolgen die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine und in Minsk mit großer Besorgnis, weil diese eigene alte Wunden und Ängste aufreißen, von denen der baltische Alltag lange Zeit geprägt war. In allen diesen Staaten ist in den postsowjetischen Jahrzehnten die Frage virulent gewesen, welche Rolle das aus sowjetischer Zeit ererbte Russische spielen darf bzw. soll, welche Funktionen man der Sprache der Titularnation zuweist und auf welche Art und Weise man die Bedürfnisse sprachlich und ethnisch gemischter Gesellschaften austariert. Die Verbindung slawistischer und baltistischer Perspektiven erachten wir daher für die vergleichende Analyse von Mehrsprachigkeit, von Sprach- und Kulturkontakt sowie Sprach(en)politiken im östlichen Europa als besonders produktiv. Neben die gewohnte slawistische Trias Ukrainisch, Belarusisch und Russisch treten die beiden baltischen Sprachen Litauisch und Lettisch. Der Workshop fokussiert auf aktuelle, aber auch historische Kontaktphänomene, auf Sprach(en)gebrauch in unterschiedlichen Diskursen – darunter auch in der Literatur –, auf die jeweiligen Mehrsprachigkeitsverhältnisse und die jeweiligen Sprach(en)politiken.

Dank langjähriger internationaler und interdisziplinären Forschung ist recht viel über die Genese der jeweiligen Staatssprachen und die sie begleitenden Sprach(en)politiken bekannt, wobei viele Narrative allerdings nicht unumstritten sind. Generell mangelt es in diesem Forschungsfeld an einer vergleichenden Perspektive, die über das jeweilige nationale Fallbeispiel hinausgeht und auch nicht an der Grenze institutionalisierter Philologien haltmacht. Ein solcher Vergleich ist vielversprechend, da sich sowohl in der heutigen Ukraine als auch im Baltikum auf sprach(en)politischer Arena Tendenzen und Prozesse abzeichnen, die trotz unterschiedlicher Prämissen vieles gemeinsam haben (so bspw. die Debatte rund um das ukrainische Sprachgesetz aus dem Jahre 2019, um die letzte Bildungsreform in Lettland oder die aktuelle Debatte über den Entwurf eines neuen Sprachgesetzes in Litauen). Belarus, wo das Engagement für die Nationalsprache von der politischen Opposition getragen wird, geht demgegenüber einen Sonderweg. Selbstredend ist zudem, dass sich die Sprach(en)situation im gegenwärtigen Osteuropa nicht ohne die diachrone Perspektive verstehen lässt: ohne die Sprach(en)politik in der Sowjetunion sowie im Russischen Reich und auch ohne Wissen über den Umgang mit Mehrsprachigkeit in der polnisch-litauischen Adelsrepublik und im Großfürstentum Litauen.

Unter den Diskursen, in denen Pluri- bzw. Monolingualität verhandelt wird, nimmt die Literatur traditionell einen zentralen Platz ein. In der slawistischen und baltistischen Literaturwissenschaft ist die Forschung zu bi- oder multilingualen Autor*innen und Mehrsprachigkeit als Verfahren ein relativ junges und dynamisches Forschungsfeld. Für einen produktiven Dialog mit der Linguistik bieten sich dabei bislang eher wenig beachtete Themen an, etwa die Frage, welche Rolle nicht-nationalsprachlichen Werken im literaturgeschichtlichen Kanon zugewiesen wird oder wie in der auf Normalisierung und Standardisierung von Texten ausgerichtete Editionspraxis mit Mehrsprachig- und Mehrschriftlichkeit umgegangen wird.

Ziel des Workshops ist es, historische wie aktuelle Mehrsprachigkeitsverhältnisse aus vergleichender, interdisziplinärer Perspektive unter die Lupe zu nehmen, um im Dialog Parallelen wie auch Unterschiede zwischen der Ukraine, Belarus, Lettland und Litauen herauszuarbeiten und die eigene Forschung in einem größeren Rahmen einzuordnen. Wir möchten über weitere Entwicklungstendenzen für diese Länder diskutieren und neue Ideen für die Erforschung von Mehrsprachigkeit entwickeln. Die Arbeitssprache des Workshops ist Deutsch. Der CfP richtet sich insbesondere an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die ein dezidiertes Interesse an individueller, institutioneller und/oder gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit sowie an den sprachlichen Verhältnissen im Osten Europas haben.

 

Organisation: Dr. Anastasija Kostiučenko (Universität Greifswald)Marianna Novosolova M.A. (Technische Universität Dresden)Dr. Marion Rutz (Justus-Liebig-Universität Gießen)