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Ausführliche Projektbeschreibung

Das Projekt Zeitung und Ausbildung in Hessen – news to use wurde im Juni 2012 vom Verband Hessischer Zeitungsverleger e.V. initiiert und stand unter der Schirmherrschaft des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier. Im Rahmen des Projekts sollte untersucht werden, ob in Kombination von regelmäßiger Zeitungslektüre, monatlichen Wissensfragen sowie Lese-Schreib-Aufgaben, Sprachkompetenz bei Auszubildenden gefördert und das Allgemeinwissen der Auszubildenden ausgebaut werden kann. Das Projekt wurde medienpädagogisch durch die Agentur PROMEDIA MAASEN betreut und wissenschaftlich durch das ZMI begleitet. Fast 40 Zeitungstitel und über 130 Unternehmen waren involviert.

Am Projekt nahmen über 700 Auszubildende aus ganz Hessen teil, die ab dem 1. September 2012 über ein Jahr lang von ihrem Arbeitgeber eine regionale Tageszeitung finanziert bekamen und parallel zur ihrer Zeitungslektüre verschiedene Fragen und Aufgaben bearbeitet haben. Dazu gehörten sowohl typische Multiple- und Single-Choice Wissensfragen als auch komplexere Schreibaufgaben, bei denen die Azubis auch selbst Texte verfassten. Bei den Textproduktionen standen drei verschiedene Textsorten im Fokus: Zusammenfassungen, argumentative Erörterungen und Darstellungen von Kontroversen. Die Inhalte der Aufgaben orientierten sich einerseits an der aktuellen Berichterstattung, andererseits an Themen, die speziell für die Gruppe der Auszubildenden besonders interessant sind (z.B. "Jobgarantie für Jugendliche" oder "Überwachung am Arbeitsplatz").

Um Veränderungen und Entwicklungen erfassen zu können, die sich über das Projektjahr einstellten, wurde zu zwei Messzeitpunkten (zu Beginn des Projekts am 15.08.2012 und an dessen Ende am 20.06.2013) ein Wissens- und Kompetenztest durchgeführt.

Ein weiteres Untersuchungsinstrument waren die Fokusgruppenerhebungen. Fokusgruppen sind kleinere Gruppen von Auszubildenden, die datengeleitet nach verschiedenen Kriterien aus der Gesamtgruppe ausgewählt wurden (z.B. nach Testergebnissen, aber auch nach Alter oder Berufsgruppe). Innerhalb von Einzel- und Gruppenbefragungen konnten über diese Fokusgruppen zum einen Einblicke in die Wahrnehmung des Projekts aus Perspektive der Teilnehmenden gewonnen werden. Zum anderen konnten so die individuellen Herangehensweisen bei der Aufgabenbearbeitung differenzierter betrachtet werden.

In der didaktischen Forschung gilt es als Allgemeinplatz, dass regelmäßige Zeitungslektüre positive Effekte für das Lernen und die Allgemeinbildung bewirken kann. Dies zeigen auch andere Untersuchungen zu Zeitungsprojekten (vgl. z.B. Linnakylä 2006[1] oder König/König 2011[2]). Wie genau sich jedoch das tägliche Zeitungslesen speziell auf Lese- und Schreibkompetenzen auswirkt, wurde bisher kaum untersucht (zum Forschungsstand vgl. z.B. Feilke 2011[3]). Mit diesem Forschungsdesiderat als Ausgangspunkt stand die folgende Frage im Vordergrund der Untersuchung:

Wie kann durch das Schreiben zu Zeitungsartikeln eine kritische Auseinandersetzung mit Textinhalten angeregt und dadurch die Lese- und Schreibkompetenzen der Auszubildenden gefördert werden?

Neben diesem Schwerpunkt der Förderung von Sprachkompetenzen widmete sich das Projekt außerdem zwei weiteren Fragen:

Kann sich durch die tägliche Zeitungslektüre und die begleitenden Aufgaben das Allgemeinwissen in unterschiedlichen Bereichen (Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport) bei den Auszubildenden verbessern lassen?

Inwiefern wird die Zeitung als Informationsquelle von Auszubildenden gezielt genutzt?

Die wichtigsten Projektergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die wissenschaftliche Begleitung konnte zeigen, dass durch das Zeitunglesen und das Bearbeiten von lektürebegleitenden Aufgaben die Sprachkompetenzen der Auszubildenden ausgebaut werden. Die Schreibkompetenz der Auszubildenden, die alle Aufgabenblöcke vollständig bearbeitet haben, konnte deutlich verbessert werden. Hinsichtlich der Schreibfähigkeiten haben vor allem die Azubis vom Projekt profitiert, die regelmäßig und kontinuierlich teilgenommen haben. Die Veränderungen konnten anhand der folgenden Textqualitätskriterien festgehalten werden:

  • Text- und Satzlänge: Die zuletzt eingereichten Texte waren rund 500 Zeichen länger, als die Texte, die am Anfang des Projekt geschrieben wurden. Auch die dabei gebildeten Sätze sind gegen Ende des Projekts länger, d.h. komplexer geworden.
  • Wortschatz: Der jeweils an den Themen der Aufgaben orientierte Wortschatz bzw. die Wortvarietät pro Text und Aufgabe ist ebenfalls im Projektverlauf größer geworden.
  • Die Texte der regelmäßig teilnehmenden Azubis wurden von drei Ratern (Gutachtern) benotet. Dabei hat sich herausgestellt, dass sich die Noten im Durchschnitt von 3,06 (befriedigend) auf 2,26 (gut) verbessert haben.

 

Die vom ZMI durchgeführten Untersuchungen konnten außerdem zeigen, dass das Allgemeinwissen der Azubis durch das Zeitunglesen und das Bearbeiten von lektürebegleitenden Aufgaben ausgebaut wird:

  • Die Durchschnittsnote im Wissenstest verbesserte sich im Projektverlauf von 3,2 auf 2,8.
  • Es wurden Erhebungen zum Lang- und Kurzeiterinnern durchgeführt, bei dem bestimmte Fragen, die im Verlauf des Projekts gestellt wurden, im Wissenstest B (d.h. am Ende des Projekts) erneut abgefragt wurden. Es zeigte sich, dass das einmal abgefragte Wissen auch nach größerem zeitlichen Abstand noch stabil erinnert werden kann.
  • Durch eine Mediennutzungsabfrage am Anfang und am Ende des Projekts konnte festgestellt werden, dass die Auszubildenden mit Fortschreiten des Projekts ihre Zeitung (in Kombination mit weiteren Quellen) immer intensiver als Informationsquelle nutzten. Ca. 75 % der Auszubildenden haben ihre Zeitung am Ende des Projekts "Jeden Tag" oder mindestens "2 bis 3 Mal pro Woche" gelesen. Am Anfang des Projekts waren es im Gegensatz dazu nur ca. 35 %, die in dieser Regelmäßigkeit der Zeitungslektüre nachgingen.

Besonderen Stellenwert in der Auswertung erhielten schließlich die Einschätzungen der Azubis selbst zum Projekt und dessen Inhalten.

  • 70 % der befragten Auszubildenden, äußerten, dass sie durch das Projekt die Zeitung als Medium schätzen gelernt haben.
  • 91 % der Auszubildenden gaben an, dass sie – angeregt durch die lesebegleitenden Schreibaufgaben – die Zeitung intensiver und aufmerksamer gelesen haben.
  • 81 % der Befragten stimmten in der Abschlussbefragung der Aussage zu, dass sich ihre Allgemeinbildung durch die Zeitungslektüre verbessert habe.


In der abschließenden Befragung konnten die Auszubildenden außerdem eine allgemeine Einschätzung zum Projekt abgeben. Neben positiven Rückmeldungen, dass das Projekt z.B. "Spaß gemacht hat" und dass es geholfen habe, "bzgl. des Zeitgeschehens am Ball zu bleiben", machten die Teilnehmenden auch konstruktive Verbesserungsvorschläge: auch Online-Abonnements sollten ermöglicht oder die Projektarbeit noch besser mit Ausbildungsinhalten verknüpft werden. Die Erkenntnis, dass das Projekt um so positiver wahrgenommen wird, je stärker es in den Ausbildungsbetrieben integriert und rückgebunden ist, wurde auch durch die Fokusgruppendiskussionen mit den Auszubildenden sowie im Austausch mit den am Projekt beteiligten AusbildungsleiterInnen bestätigt.



[1] Linnakylä, P. (2006): Does reading newspapers support learning? In: Finnish Newspaper. Association, Helsinki (S. 1-8).

[2] König, M. & König, W. (2011). "Mediennutzung verändert sich". Das Projekt "Zeitung lesen macht Azubis fit!" In: epd medien Nr. 16. (S. 16-18). Frankfurt a.M.

[3] Feilke, H. (2011): Zeitungstexte. Basisartikel. In: Praxis Deutsch 225, S. 4-14.