Forschung
Die Forschung des Instituts für Lebensmittelchemie und Lebensmittelbiotechnologie schlägt eine Brücke zwischen lebensmittelchemischen Phänomenen und industriellen Applikationen. Im Mittelpunkt der Arbeiten stehen Enzyme aus Basidiomyceten, den am höchsten entwickelten Pilzen. Aufgrund ihrer besonderen katalytischen Eigenschaften und ihrer hohen Prozessstabilität eignen sich diese Enzyme für zahlreiche Applikationen in der Lebensmittelbiotechnologie ebenso wie zum enzymatischen Aufschluss nachwachsender Rohstoffe. Einen weiteren Forschungsschwerpunkt bildet die Analytik und biotechnologische Gewinnung natürlicher Aromen.
Neuartige Farbstoffe aus Basidiomyceten für Lebensmittel
Die Farbe von Lebensmitteln spielt neben der Haptik, dem Geruch und dem Geschmack eine wichtige Rolle für die Akzeptanz beim Konsumenten. Bei den aktuell lebensmittelrechtlich zugelassenen Farbstoffen wird zwischen natürlichen und synthetischen Farbstoffen unterschieden. Beide können in Form von Zusatzstoffen für bestimmte Lebensmittel eingesetzt werden, wobei natürliche Farbstoffe von den Konsumenten bevorzugt werden.
Das Projekt hat entscheidend dazu beigetragen, Möglichkeiten zur Produktion natürlicher Farbstoffe mittels Ständerpilzen zu identifizieren. Die erfolgreiche Übertragung der Kulturführung in den Bioreaktor zeigt, dass eine robuste Produktion möglich ist. Dies ist besonders relevant, da die meisten anderen natürlichen Farbstoffe aus Pflanzen extrahiert werden, was viele Limitierungen mit sich bringt, wie Erntezeitpunkte und Vegetationsbedingungen. Die Produktion im Bioreaktor ermöglicht eine wetterunabhängige Betriebsweise, erfordert keine landwirtschaftliche Nutzfläche und macht die Verwendung von Pilznaturfarben zu einer idealen Zukunftstechnologie, die kaum vom Klimawandel beeinträchtigt wird.
Die Färbung von insgesamt neun verschiedenen Lebensmittelmodellsystemen, darunter Fruchtgummis und vegetarischem Aufschnitt, zeigt die Anwendbarkeit in verschiedenen Produkten. Zukünftig können Lebensmittel- und Getränkehersteller neue rote natürliche Farbstoffe nutzen und somit voraussichtlich neue Absatzmärkte erschließen.
Neuartige Biokatalysatoren
Eine wesentliche Voraussetzung für die industrielle Umsetzung neuer biotechnologischer Prozesse ist die Verfügbarkeit effizienter und stabiler Biokatalysatoren. Als Quelle für solche Enzyme dienen dem Institut für Lebensmittelchemie und Lebensmittelbiotechnologie vor allem die am höchsten entwickelten Pilze (Basidiomyceten oder Ständerpilze), die über ein einzigartiges, industriell bislang wenig genutztes biochemisches Potential verfügen.
Im Kreislauf der Natur werden schwer zugängliche lignin- und terpenreiche Biopolymere nahezu ausschließlich von Basidiomyceten umgesetzt. Daher ist der Einsatz von Enzymen aus dieser Speziesklasse, zu der auch die meisten bekannten Speisepilze zählen, für zahlreiche neue biotechnische Applikationen besonders erfolgversprechend.
Basierend auf einer umfassenden, qualitativen und quantitativen Proteom- und Sekretomanalyse werden neuartige Enzyme aus Zellkulturen von Basidiomyceten isoliert, biochemisch charakterisiert und die kodierenden Gene kloniert. Mittels heterologer Expression und gerichteter Mutagenese lassen sich die gewünschten Eigenschaften für die jeweilige Applikation optimieren.
Neue Strategien zur technischen Enzymgewinnung
Durch Wahl geeigneter Kulturparameter lässt sich die Enzymproduktion in Oberflächen- und Submerskulturen von Basidomyceten lenken und gezielt optimieren. Zum Einsatz in technischen Prozessen ist meist eine Konzentrierung und zumindest partielle Reinigung der gebildeten Enzymfraktionen erforderlich. Besonders effizient und kostengünstig gelingt dies bei extrazellulären Pilzenzymen durch isoelektrisch fokussierte Zerschäumung ("adsorptive bubble separation").
Industrielle Prozesse
In Kooperation mit Partnern aus der Groß- und mittelständischen Industrie werden Prozesse im Bereich der "Weißen Biotechnologie" und der Lebensmittelbiotechnologie entwickelt. Schwerpunkte liegen hier in der biotechnologischen Herstellung funktioneller Lebensmittelinhaltsstoffe (einschließlich natürlicher Aromastoffe) und der enzymatischen Verwertung nachwachsender Rohstoffe.