Boni für alle? Fast alle!
Überraschendes Ergebnis einer experimentellen Studie: Geringere Boni für viele wirken besser als höhere Boni für wenige
Nr. 147 • 2. August 2016
Warum nutzt ein deutscher Versicherer einen Verkaufswettbewerb, bei dem am Ende über 96 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Belohnung erhalten, während andere Unternehmen Boni nur an einen kleinen Kreis ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zahlen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Prof. Dr. Arnt Wöhrmann, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU). Gemeinsam mit Prof. Dr. Thorsten Knauer (Universität Bochum) und PD Dr. Friedrich Sommer (Universität Münster) hat er eine Studie zur Gestaltung von Vergütungssystemen in Unternehmen in der Fachzeitschrift „European Accounting Review“ veröffentlicht.
Im Fokus stehen Turniersysteme, bei denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund ihrer Leistung gerankt werden. Besser gerankte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sogenannten Turniergewinner, erhalten einen höheren Bonus als der Rest. Für Unternehmen stellt sich die Frage, wie hoch der Anteil der durch einen solchen Bonus ausgezeichneten Turniergewinner sein sollte. In der Praxis finden sich diverse Ausgestaltungsvarianten, die von nur sehr wenigen oder gar nur einem Turniergewinner bis hin zu einem hohen Anteil von Turniergewinnern von in Einzelfällen sogar mehr als 90 Prozent reichen. Unterstellt man, dass Unternehmen über nur beschränkte Mittel für Boni verfügen, stellt sich die Frage, ob wenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr hohe Boni gezahlt werden sollten oder besser viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Genuss dann entsprechend geringerer Boni kommen sollten.
Um diese Frage zu beantworten wurde von den Autoren ein Experiment mit 90 Studierenden durchgeführt. Die Studierenden wurden in Sechsergruppen eingeteilt und aufgefordert anspruchsvolle Mathematikaufgaben ohne Hilfsmittel zu lösen. Anschließend wurden die sechs Gruppenmitglieder auf Basis der Anzahl richtig gelöster Aufgaben gerankt. Die Bonuszuteilung, für die im Rahmen des Experiments drei Varianten getestet wurden, knüpfte direkt an dieses Ranking an. Entweder war der Anteil der Turniergewinner gering, sodass nur ein Gruppenmitglied den Turniergewinner-Bonus erhielt, mittel (3 von 6 erhielten den Bonus) oder hoch (5 von 6).
Wurde in anderen Studien argumentiert, dass ein hoher Anteil von Bonusgewinnern schädlich oder zumindest nicht förderlich für die Anstrengung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei, belegt die neue Studie das Gegenteil: Erhielten zum Beispiel fünf der sechs Gruppenmitglieder statt nur einem den Bonus, stieg das Anstrengungsniveau um fast 50 Prozent. Begründen lässt sich dieses Verhalten damit, dass hohe Boni oft nur geringe Anreizwirkungen entfalten, wenn sie als unerreichbar wahrgenommen werden, da nur sehr wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihren Genuss kommen. Außerdem ist es gerade dann besonders wichtig für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem Bonus ausgezeichnet zu werden, wenn viele der Kolleginnen und Kollegen diesen ebenfalls erhalten. Schließlich wird in dem Experiment auch gezeigt, dass der in anderen Studien beobachtete Rückgang der Anstrengung im Zeitablauf durch einen hohen Anteil von Turniergewinnern reduziert werden kann.
Gefördert wurde das Experiment mit Mitteln der Dr. Werner Jackstädt-Stiftung.
- Publikation
Thorsten Knauer, Friedrich Sommer & Arnt Wöhrmann: Tournament winner proportion and its effect on effort: An investigation of the underlying psychological mechanisms. European Accounting Review
DOI: 10.1080/09638180.2016.1175957
- Kontakt
Prof. Dr. Arnt Wöhrmann
Professur für Betriebswirtschaftslehre
mit dem Schwerpunkt Managerial Accounting (BWL IV)
Licher Straße 62, 35394 Gießen
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