Inhaltspezifische Aktionen

Neues LOEWE-Zentrum DRUID erforscht vernachlässigte Tropenkrankheiten

Erfolgreiche Kooperation der Universitäten Gießen (Federführung), Marburg und Frankfurt sowie des Paul-Ehrlich-Instituts und der Technischen Hochschule Mittelhessen – Weitere LOEWE-Beteiligungen der JLU

Nr. 129 • 5. Juli 2017

Mehr als eine Milliarde Menschen in rund 150 Ländern der Welt leiden unter vernachlässigten Tropenkrankheiten –  „Neglected Tropical Diseases“ (NTDs) – die sich unter den Bedingungen von  Armut und Elend rasch verbreiten. Dengue-Fieber und Chikungunya, Ebola- und Zika-Virusinfektionen, aber auch Leishmaniose, Trypanosomiasis und Schistosomiasis sind derartige gefährliche Krankheiten, die durch Viren, Bakterien, Parasiten oder Pilze verursacht werden und die für die Patientinnen und Patienten akut lebensbedrohlich sein oder zu schweren chronischen Erkrankungen führen können. Einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der NTDs leisten über 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in über 30 interdisziplinären Arbeitsgruppen. Partner der  Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) sind dabei die Philipps-Universität Marburg, die Goethe-Universität Frankfurt, das Paul-Ehrlich-Institut Langen und die Technische Hochschule Mittelhessen. Umso größer ist die Freude bei allen Beteiligten, dass das Land Hessen jetzt in einer ersten vierjährigen Förderperiode von 2018 bis 2021 das LOEWE-Zentrum Novel Drug Targets against Poverty-Related and Neglected Tropical Infectious Diseases (DRUID) mit einer Gesamtsumme von rund 19 Millionen Euro fördert. Die Gesamtleitung und wissenschaftliche Koordination des neuen LOEWE-Zentrums liegt bei der Gießener Biochemikerin, Molekularbiologin und Medizinerin Prof. Dr. Katja Becker; die JLU war Antragstellerin.

Im neuen LOEWE-Zentrum DRUID sollen dringende Fragen zur Identifikation und Charakteri-sierung potenzieller Zielmoleküle für die Entwicklung von Wirkstoffen, Vakzinen und Diagnos-tika gegen armutsassoziierte und vernachlässigte Infektionskrankheiten geklärt werden. An der Vorbereitung des Antrags haben maßgeblich folgende Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler mitgewirkt, die größtenteils auch dem Lenkungsausschuss (Steering Committee) angehören werden: Sprecherin Prof. Dr. Katja Becker, JLU, der stellvertretende Sprecher Prof. Dr. Stephan Becker, Virologie, Universität Marburg; Prof. Dr. Christoph G. Grevelding, Parasi-tologie, JLU; Prof. Dr. Roland K. Hartmann, Pharmazeutische Chemie, Universität Marburg; Prof. Dr. Volkhard Kempf, Medizinische Mikrobiologie  und Krankenhaushygiene, Universität Frankfurt; Prof. Dr. Ger van Zandbergen, Immunologie, Paul-Ehrlich-Institut Langen; Prof. Dr. John Ziebuhr, Virologie, JLU. Die administrative Koordination liegt bei Ulrike Burkhard-Zahrt, Biochemie und Molekularbiologie im IFZ der JLU.

JLU-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee gratuliert allen beteiligten Forscherinnen und Forschern in den verschiedenen Institutionen herzlich, die mit ihrer Expertise und langjährigen wissenschaftlichen Kooperationen die Realisierung des neuen LOEWE-Zentrums erst möglich gemacht hätten: „Sie alle haben frühzeitig Weitblick bewiesen und stellen sich gemeinsam im neuen LOEWE-Zentrum DRUID hochaktuellen internationalen Herausforderungen, die sich bei der Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten ergeben. Es zeigt sich einmal mehr, dass internationale Spitzenforschung nur in einem funktionierenden Netzwerk gelingen kann.“ Der Dank des Präsidenten richtete sich auch an die Verantwortlichen in Wiesbaden: „Ich bin dem Land Hessen sehr dankbar, dass mit dieser wegweisenden Entscheidung die Infektions- und Wirkstoffforschung in Hessen, ausgehend vom Medizin-Standort Gießen, noch einmal eine deutliche Aufwertung erfährt.“  Die Präsidentin der Philipps-Universität Marburg, Prof. Dr. Katharina Krause, schließt sich den Glückwünschen an und betont: „Das neue LOEWE-Zentrum vereint die wissenschaftliche Kompetenz in Hessen auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten. Es ist seit langer Zeit das erste große gemeinsame Forschungsvorhaben der drei hessischen Medizinstandorte Gießen, Marburg und Frankfurt. Diese Konstellation ist aus meiner Sicht ein Garant für den Erfolg des Vorhabens.“

Rahmenbedingungen

„Die Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten ist aus medizinischer und humanitärer Sicht eine zwingende Notwendigkeit“, erläutert Prof. Katja Becker die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die wissenschaftliche Kooperation im LOEWE-Zentrum DRUID. „Wir leisten mit unserer interdisziplinären Arbeit zugleich auch einen entscheidenden Beitrag zur Unterbrechung von Armutskreisläufen, die nicht nur Infektionsrisiken erhöhen, sondern auch zu existenzbedrohenden Lebensumständen, sozialer Ungerechtigkeit, Gewaltbereitschaft und Migration führen.“ Die Erfahrungen hätten gelehrt, wie sehr Instabilität, Gewalt, Verschlep-pung, Migration und Mobilität sowie klimatische Veränderungen die Verbreitung von NTDs begünstigen. Zudem gebe es für die meisten NTDs zu wenige wirksame Medikamente; viele der derzeit eingesetzten Wirkstoffe hätten schwere Nebenwirkungen zur Folge und es seien immer stärker auch Resistenzen zu befürchten, ergänzt die Gießener Wissenschaftlerin.

Wissenschaftliche Arbeit am LOEWE-Zentrum DRUID

Am LOEWE-Zentrum DRUID sollen die in Hessen vorhandenen Kapazitäten und Expertisen gebündelt werden. In fünf Projektbereichen werden Targets (Zielmoleküle) aus Transkripti-on/Translation, zytosolische und membranassoziierte Targets sowie Targets in Wirten und Vektoren adressiert. Da die vorgeschlagenen Projekte hohes Translationspotenzial haben, sind die enge Kooperation mit Partnern aus der Wirtschaft und der Weg in die Anwendung vorgesehen. Um der Komplexität des Themas gerecht zu werden und effiziente Vernetzungs-strukturen aufzubauen, sollen darüber hinaus weitere Partner auf nationaler und internationaler Ebene eingebunden werden.

Die Wissenschaftsakademien der G7-Länder haben eine Verstärkung der Forschung der NTDs gefordert. Auf diese Forderung geht das neue LOEWE-Zentrum DRUID sehr konkret ein. Hier wird neben der Identifikation neuer Zielmoleküle für die Wirkstoffentwicklung auch die Grundlagenforschung im Vordergrund stehen – insbesondere zur Biologie der Infektionserreger, der Wirtsantwort und der Wechselwirkung mit anderen Erkrankungen oder Infektionen. Gleiches gilt für die Untersuchung der krankheitsübertragenden Vektoren und Zwischenwirte und die Erarbeitung neuer Strategien zu ihrer Kontrolle. Dies alles soll von der Entwicklung neuer Technologien, der engen Kooperation mit Industriepartnern sowie der Ausbildung spezialisierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler begleitet werden.



Weitere LOEWE-Beteiligungen der JLU

Die Glückwünsche des JLU-Präsidenten gelten auch jenen Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftlern, die an den folgenden LOEWE-Initiativen bzw. -projekten beteiligt sind.

LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (LOEWE-TBG)

Nicht minder erfreut sind alle Beteiligten über die Bewilligung des LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (LOEWE-TBG), ein Joint Venture unter Federführung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN), das insgesamt mit rund 18 Millionen Euro vom Land Hessen gefördert wird.  Zu den im Rahmen der LOEWE-Initiative des Landes geför-derten Partnern gehört neben der Goethe-Universität Frankfurt (GU), dem Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und angewandte Oekologie (IME) mit den Projektgruppen Translationale Medizin und Pharmakologie (IME-TMP) in Frankfurt sowie Bioressourcen (IME-BR) in Gießen ebenfalls die JLU.

Die in ihrer Bedeutung stark gewachsene Biodiversitätsforschung ist bisher überwiegend organismisch und ökologisch ausgerichtet. Große technisch-methodologische Fortschritte erlauben es nun, Biodiversitätsforschung genomisch und damit zugleich stärker anwen-dungsorientiert auszurichten. Das LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (LOEWE-TBG) soll die grundlegende Erforschung der Genome einer breiten Organismenvielfalt mit der Entwicklung anwendungsfähiger Dienstleistungen und Produkte verbinden. Ent-sprechend liegt der zentrale Fokus von LOEWE-TBG darauf, die genomische Vielfalt als basale Ebene der Biodiversität für die Grundlagen- und angewandte Forschung zugänglich und nutzbar zu machen.

Das LOEWE-TBG ist komplementär zum Gießener LOEWE-Zentrum Insektenbiotechnologie angelegt und somit auch über das Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME), Projektgruppe  Bioressourcen, mit der JLU verknüpft. Prof. Dr. Andreas Vilcinskas ist mit einem Teilprojekt „Animal Venomics“ im Bereich „Naturstoffgenomik“ be-teiligt.

Im Rahmen seines Projektes sollen Tiergifte als Bioressource für neue Wirkstoffe erschlossen werden. Für diesen Zweck werden Genome bzw. Transkriptome von Gifttieren sequenziert und mit bioinformatischen Methoden analysiert, um Gene zu identifizieren, die für bisher unbekannte Peptide oder Proteine kodieren. Diese werden synthetisch hergestellt und auf ihr Potenzial zur Behandlung von u.a. Infektionskrankheiten, Diabetes und Krebs getestet.
Schätzungen gehen davon aus, dass von den über 170.000 bekannten Gifttieren über 20 Mil-lionen Substanzen produziert werden, von denen bisher nur 5.000 untersucht wurden. Insge-samt 16  Medikamente, die auf der Basis von Wirkstoffen aus Tiergiften entwickelt wurden, sind auf dem Markt. Das Projekt „Animal Venomics“ soll systematisch das medizinische Po-tenzial von Tiergiften erforschen.

LOEWE-Schwerpunkt AROMAplus

Gute Nachrichten kommen auch von dritter Stelle: Auch der LOEWE-Schwerpunkt AROMAplus „Von pflanzlichen Rohstoffen zur mikrobiologischen Produktion – Aroma- und funktionelle Inhaltstoffe aus Reben und Obst“,  bei dem die Hochschule Geisenheim University (HGU) die Federführung übernommen hat, wird künftig mit insgesamt rund 4,4 Millionen Euro  vom Land Hessen gefördert. Beteiligt sind das Dechema Forschungsinstitut (Frankfurt am Main) und die JLU mit einem Teilprojekt.
 
Die Verwendung von Aromastoffen und funktionellen Inhaltsstoffen in Lebensmitteln, Kosmetika, Arzneimitteln und Bedarfsgegenständen hat eine immense industrielle Bedeutung mit großem Entwicklungspotenzial. Auch beim in Hessen traditionellen Obst- und Weinbau spielen Aroma- und funktionelle Inhaltsstoffe in Bezug auf die Qualität eine herausragende Rolle. Es finden sich international agierende große Firmen, aber auch eine Vielzahl mittelständischer Betriebe, wie Kellereien, Keltereien, oder Aroma- und Biotechnol-ogieunternehmen, mit Interesse an diesen Substanzen.  Thema des neuen LOEWE-Schwerpunkts ist daher die grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung zur mikrobi-ologischen Synthese von Aromen und funktionellen Inhaltsstoffen aus pflanzlichen Substraten (bei Reben und Obst).
 
Von Seiten der JLU steuern Prof. Dr. Holger Zorn und JuniorProf. Dr. Martin Rühl, beide vom Institut für Lebensmittelchemie und Lebensmittelbiotechnologie, das Teilprojekt „Bildung von Aroma- und funktionellen Inhaltsstoffen aus Reben und Schwarzen Johannisbeeren durch Fermentation mit Pilzen“ bei. Ziel ist es, die bei der Fermentation mittels ausgewählter Basidiomyceten von Trestern der Weinrebe (Vitis vinifera) und Pflanzenteilen (Blätter und ganze Früchte) der Schwarzen Johannisbeere (Ribes nigrum) entstehenden flüchtigen Sekun-därmetabolite systematisch zu analysieren, deren Bildungswege aufzuklären und schließlich gezielt zu optimieren.  

  • Kontakt



Professur für Biochemie und Molekularbiologie der JLU, IFZ
Heinrich-Buff-Ring 26-32, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-39120
https://www.uni-giessen.de/fbz/fb09/institute/ernaehrungswissenschaft/prof/becker


Institut für Insektenbiotechnologie der JLU; Heinrich-Buff-Ring 58, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-37601; E-Mail:
https://www.uni-giessen.de/fbz/fb09/institute/iib/ento/mb/wimi/vilcinskas
Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME), Projektgruppe  Bioressourcen: Winchester Straße 2, 35394 Gießen;
Telefon: 0641 99-39500


Institut für Lebensmittelchemie und Lebensmittelbiotechnologie  der JLU
Heinrich-Buff-Ring 17, 35392 Gießen
Telefon:  0641 99 34 900
http://www.uni-giessen.de/cms/lcb

 

Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, Telefon: 0641 99-12041



Schlagwörter
Medizin