Das Wappen der Universität
Das Antoniterkreuz, das Wappen der 1607 von Landgraf Ludwig V. von Hessen gegründeten Universität Giessen, ein blaues, silbergerandetes T-Kreuz, tauchte erstmals 1736 auf. Bis dahin war die Ludoviciana, so der ursprüngliche Name der Universität, ohne Wappen gewesen. Anlaß war der Tod des amtierenden Rektors M. Verdries, ordentlicher Professor der Medizin und Hessen-Darmstädtischer Leibmedikus, am 25.7.1736. Als sich am 8.11.1736 der Trauerzug durch die Stadt bewegte, war der leere Sarg - die Beisetzung hatte längst in aller Stille stattgefunden - mit den Emblemen der vier Fakultäten und dem Antoniterkreuz als Wappen der Universität geschmückt.
Vorausgegangen war die Rede des Rektors J. C. Arnoldi vom Jahre 1726, in der dieser auf die Beziehungen zwischen dem Antoniterkloster in Grünberg und der Universität Giessen hingewiesen hatte. Danach war die Universität Giessen in den Genuß eines Hauptteils des Klostervermögens gelangt und Rechtsnachfolgerin des Antoniterklosters von Grünberg geworden. Der Orden selbst war 1095 von Papst Urban II. bestätigt worden und unterhielt im 14. Jahrhundert über 350 Hospitäler in ganz Europa ausschließlich für Ergotismuskranke. So lag es nahe, das Antoniterkreuz als Zeichen eines Hospitalsordens auch als Wappen einer Universität zu übernehmen, deren Medizinische Fakultät sich der gleichen Aufgabe verpflichtet wußte. Außerdem wurde das Ordenskreuz auch in die 1896 gestiftete und jetzt einhundert Jahre alte Universitätsfahne aufgenommen.
Ein schwarzer Mantel und ein Doppelkreuz mit einer Glocke in Händen kennzeichneten den Antoniter, der stets in Begleitung eines mageren Schweines erschien [s. Abb. 1]. Die Bedeutung des Kreuzes ist umstritten (Taukreuz, ägyptisches Henkelkreuz, Krücke u.a.). Da nach der Legende der Heilige Antonius [s. Abb. 2] mit dem Kreuz die Pest vertrieben haben soll, wird man das Kreuz am ehesten als ein krankheitsabwehrendes Zeichen verstehen dürfen. Das ihn begleitende Schwein symbolisiert ihn als Patronus der Haustiere und damit auch als Beschützer vor Tierkrankheiten, wie z.B. den Rotlauf.
Eine der letzten Ergotismusepidemien in Deutschland hatte noch 1879 im Grünberg-Giessener Raum gewütet. Die Medizinische Fakultät Giessen hatte sich daher besonders dieser Umweltseuche angenommen, die als Ignis sacer, Antoniusfeuer [dargestellt an der brennenden linken Hand des Kranken in Abb. 2; Vergrößerung mit Mausklick], "mal des ardents" und Kriebelkrankheit imponierte und vor allem unter der Landbevölkerung (Morbus ruralis) grassierte. So hieß es in einem Gutachten der Medizinischen Fakultät Giessen vom 19.9.1770, das den Zusammenhang zwischen dem Mutterkorn und dem Ergotismus postulierte:
"So zweiffeln wir nicht, daß gedachtes Secale cornutum die Ursache erwähnter Krankheit seye." Seitens der Obrigkeit wurde daher befohlen, den Roggen vor dem Mahlen durch Sieben vom Mutterkorn zu trennen. Diese Präventionsmaßnahme wurde jedoch nicht befolgt und so sollte sich die alte Erfahrung bestätigen, daß das Erkennen der Ursache einer Krankheit allein nicht genügt, um eine Krankheit zum Erlöschen zu bringen.
Heute ist das Antoniterkreuz ein markantes Zeichen und Logo der Universität und damit des Universitätsklinikums. Für den Fachbereich Humanmedizin steht es zusammen mit dem Fakultätssiegel.
Die Abbildungen sind entnommen aus: "375 Jahre Medizin in Giessen", Giessen (Wilhelm Schmitz Vlg.) 1983;
Jost Benedum, früherer Leiter des Inst. f. Geschichte der Medizin