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Zoege von Manteuffel, Gummihandschuhe in der chirurgischen Praxis (1897) -- www.uni-giessen.de/gloning/

Werner Zoege von Manteuffel: Gummihandschuhe in der chirurgischen Praxis. In: Centralblatt für Chirurgie 24/20 (1897) 553-556.
-- Einrichtung: zeilengetreue Erfassung; Silbentrennung aufgehoben; Sperrungen des Originals hier unterstrichen; <<553>> usw. = Seitenzahlen.
-- Bearbeitung: Thomas Gloning, 11-08-2007
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<<553>>

(...)

Gummihandschuhe in der chirurgischen Praxis.

Von
W. Zoege von Manteuffel in Dorpat.

Die Desinfektion der Hände des Arztes ist ein noch ungelöstes
Problem, trotz aller praktischen Erfolge der Chirurgie unserer Tage,
die das Gegentheil zu beweisen scheinen. Wir sind noch nicht im
Stande, unsere Hände so zu desinficiren, dass die Desinfektion unter
allen Umständen einer strengen experimentellen Kritik Stand hält.
Das lehren uns die Versuche Kümmell's, Fürbringer's, Sänger's,
Reinecke's, das zeigten uns die Demonstrationen v. Bergmann's auf
dem vorletzten internationalen Kongress und die neueren
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Untersuchungen Lauenstein's und Anderer. Eine relative Keimfreiheit
können wir erhalten, eine absolute nicht, und immer wieder müssen
wir mit dem schwankenden Faktor rechnen, dass das Körpergewebe
des Operirten in letzter Instanz mit seinen vitalen Eigenschaften den
allerdings meist nicht großen Fehler in der Desinfektion unserer
Hände korrigirt. Wir erreichen damit im Allgemeinen, was wir
brauchen. Wir erreichen diese relative, aber genügende Keimfreiheit
der Hände jedoch nicht mehr, wenn wir infektiöses Material berührt,
unsere Hände in Koth oder Eiter getaucht haben.

Durch das sehr bunte Material des hiesigen Stadtkrankenhauses
und die Nothwendigkeit, reine und septische Kranke promiscue zu
operiren, Empyeme und Phlegmonen zu spalten und gleich darauf
Verletzte zu versorgen, bin ich darauf gekommen, die Hände vor
Infektion durch ausgekochte Gummihandschuhe zu schützen. Hat man
eine größere Zahl geschulter Assistenten, so kann man sich ja wohl
auch ohne das helfen. Aber selbst nach vielfachem Waschen, ja oft
noch am anderen Tage werde ich nach einer Operation an schwer
Septischen das unheimliche Gefühl nicht los, dass meine Hände nicht
sicher sind, obgleich heut zu Tage der üble Geruch bald fortzubringen
ist, der früher, als man noch nicht mit Alkohol zu desinficiren
verstand, sich außerordentlich lange hielt.

Einen weiteren Vortheil der Handschuhe lernte ich bald kennen.
Ich selbst leide nicht an Furunkeln. Einer meiner Assistenten jedoch
hatte fortwährend mit den Operationsfurunkeln zu kämpfen. Hier
waren uns die Handschuhe ebenfalls von großem Werth. -- Schließlich
hatte ich dann noch Gelegenheit, den Nutzen der ausgekocht bereit
stehenden Handschuhe zu erkennen, als Verletzungen eingebracht
wurden, die sofortige Hilfe erheischten, und wo 5 Minuten
Desinfektion einen bedrohlichen Zeitverlust bedeuteten. Es konnte die
primäre Tamponade bei einer Verletzung der Mammaria interna mit
Handschuhen ausgeführt und Zeit zur sorgfältigen Desinfektion
gewonnen werden. Dasselbe galt von einigen schweren Verletzungen
des Abdomens.

Ich benutze die Handschuhe jetzt:
1) bei Operationen an Septischen;
2) bei Operationen an reinen Wunden, wenn sie nicht
aufschiebbar sind, und ich durch irgend einen Umstand und trotz
Punkt 1) mit septischen Dingen in Berührung gekommen bin;
3) bei unaufschiebbaren Operationen, in Zeiten, in denen die
Hand des Arztes eine Verletzung trägt, oder gar einen Furunkel etc.;
4) bei plötzlichen Unglücksfällen.

Unter unaufschiebbaren Operationen verstehe ich nicht bloß
Herniotomien, Tracheotomien etc., kurz Operationen, die an sich
unaufschiebbar sind. Oft zwingen auch äußere Umstände dazu, eine
Operation vorzunehmen zu einer Zeit, wo man gerade eine
Verletzung, die sich nicht desinficiren lässt etc., an der Hand trägt. --

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In allen den oben genannten Fällen ist es meiner Ansicht nach
nicht immer, sagen wir besser nicht möglich, sich die Hände sicher
zu desinficiren. Man tröstete sich bei den akut eingebrachten
Verletzungen damit, dass man von zwei Übeln das kleinere wählen,
dass man vor Allem die augenblickliche Gefahr bekämpfen müsse.
Man behielt aber nach solchen Operationen, die mit septisch inficirter
oder mit kranker Hand ausgeführt wurden, ein schlechtes Gewissen,
bis der Fall glimpflich mit einer Stichkanaleiterung, mit einer
geopferten pr. Int. oder aber schlimmer mit allgemeiner septischer
Infektion auslief.

In Handschuhen zu operiren ist natürlich etwas unbequem.
Bei den Operationen an Septischen hat das nicht so sehr viel zu
sagen. Hier handelt es sich doch meist um technisch nicht
schwierige Eingriffe. Anders liegen die Verhältnisse, wenn wir die
septisch inficirte oder verwundete, die nicht desinficirbare Hand
mit dem Gummihandschuh decken, um eine beliebige aseptische
Operation auszuführen. Sitzt der Handschuh knapp, so wird die
Hand etwas anämisch und bald müde. Die käuflichen Handschuhe
haben außerdem einen Fehler: es ist keine Ausweitung für den
Daumenballen vorhanden, der Daumen ist daher schwer zu abduciren.
Sind wieder die Finger zu lang, so hindern sie das rasche Ergreifen
namentlich der Instrumente mit scherenförmigen Griffen. Aber
auch bei gut sitzenden Handschuhen, etwa nach Maß gefertigten,
wird die Operation vielleicht etwas länger dauern. Was will das
aber sagen gegenüber der absoluten Sicherheit einer
"ausgekochten Hand"
! Und man kann doch schließlich auch größere
Operationen ganz gut ohne wesentlichen Zeitverlust ausführen: Ich
habe die Handschuhe (außer bei septischen Operationen) bei folgenden
Operationen benutzt: bei einer Radikaloperation einer Hernie nach
Bassini, zwei Radikaloperationen von Nabelhernien, einer Radikaloperation
einer Inguinalhernie beim Weibe, einer Ellbogengelenkresektion
von einem radialen Schnitt aus. Die Operationen dauerten
vielleicht 5-10 Minuten länger als sonst, aber ich habe noch wenig
Übung und noch keine gut sitzenden Handschuhe.

Natürlich pflege ich, so weit das im betreffenden Falle möglich
ist, erst meine Hände zu desinficiren, damit, falls der Handschuh
irgend wo angeschnitten wird, darunter wenigstens keine ganz
undesinficirte Haut zum Vorschein kommt; schon um die Handschuhe
anzuziehen, ist das geboten, obgleich man sie sich auch mit einem
sterilen Handschuh anziehen kann. Die Ärmel des Operationskittels
trage ich schon lange am Handgelenk geschlossen oder wenigstens
bis auf dasselbe herabreichend, bei bis zum Ellbogen desinficirtem
Arm. Ich habe mir jetzt Handschuhe fertigen lassen, die etwas
länger sind als die bei den Chemikern üblichen und über den Ärmel
hinaufragen.

In letzter Zeit habe ich auch die für unser chirurgisches Gewissen
so peinliche und doch so häufig nothwendige Operation des Touchirens
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per anum, wo es nicht auf sehr feines Detail ankam, mit Gummihandschuh
oder wenigstens Gummifinger ausgeführt. Sitzt der Finger
glatt, so ist man übrigens erstaunt, wie wenig er die Palpation hindert.

Ich kann somit die ausgekochten Gummihandschuhe als ein sehr
zweckmäßiges Inventarstück des Operationssaales jedem Operateur
empfehlen. Eben so dürften sie auf Rettungsstationen etc. von Nutzen
sein. Ob sie im Kriege eine Verwendung finden können, wage
ich nicht zu entscheiden. Der Landarzt, der sie bequem in einem
Glasgefäß in ein steriles Handtuch geschlagen mitführen kann, wird
sie zu schätzen wissen; denn die Desinfektion der Hände in der
Bauernhütte wird fast stets mangelhaft ausfallen, -- während der
ausgekochte Gummihandschuh eine absolut keimfreie Hand garantirt.



tg