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Collegium Gissenum 2017

Über Menschliches - Wer wir sind und was wir werden können

Die anthropologische Grundfrage, Was ist der Mensch?, ist für die Philosophie keineswegs neu, sondern disziplin- und identitätsstiftend. Anders gesagt: Vom Menschen handelt die Philosophie immer schon und sowieso. Bemerkenswerterweise wird gegenwärtig dennoch von einer „anthropologischen Wende“ gesprochen mit Bezug auf eine Reihe von bahnbrechenden Entwicklungen in den neuen Lebenswissenschaften und konvergierenden Technologien, die eine Veränderung, Manipulation und Optimierung der charakteristischen menschlichen Lebensform ermöglichen (werden). Die soziokulturellen, politikethischen und ethischen Probleme solcher körperlicher, kognitiver, psychischer und genetischer Modifikationsmöglichkeiten werden seit rund zwei Jahrzehnten in der praktischen und theoretischen Philosophie kontrovers diskutiert. Die transhumanistischen Manifeste und Verheißungen bieten ebenso wie die Debatte um die Digitalisierung und Maschinisierung der menschlichen Lebenswelt hochaktuelle Anknüpfungspunkte für die althergebrachte Frage, wer wir sind und was wir werden können.

Dem Menschlichen – den Voraussetzungen, Merkmale und Spezifika des Mensch-Seins – und dem Übermenschlichen – den anthropologischen Transformationen, Fiktionen und Utopien – nehmen sich die Vorträge des Collegium Gissenum 2017 aus verschiedenen philosophischen Perspektiven an. 

  

Das Programm

03.05. Prof. Dr. Matthias Kettner (Witten/Herdecke)

Being digital. Eine Kulturreflexion

Die fortschreitende Umstellung auf digitaltechnologische Medien hat über die ganze Breite unserer Lebensverhältnisse hinweg unseren Umgang mit Möglichkeiten des Wissens, Fühlens und Handelns verändert. Digitalisierung ist ein globaler kultureller Prozess, nicht bloß eine technologische Innovation. Die Thematisierung dieses Kulturprozesses schwankt, wie historisch schon bei früheren enabling technologies, zwischen Apokalyptik und Euphorik. Es fällt schwer, hier pauschale Einschätzungen zu untermauern. Man muss einzelne Praktiken genau analysieren, vom Selfie bis zu Big Data in der Forensik und medizinischen Diagnostik, von digitalen Assistenten bis hin zum ambient assisted living und zum Einsatz von Robotik in der Altenpflege, vom Verlust der Vertraulichkeit durch Geheimdienste bis hin zu neuen Verschlüsselungstechniken für den Hausgebrauch, die Kriminellen ebenso wie rechtschaffenen Bürger_innen zu Verfügung stehen. Der Vortrag wird untersuchen, was es hieß und heißt, „digital zu sein“ (so schon Nicholas Negroponte 1995), und dabei einige Paradoxien behandeln: Transparente Intransparenz im Politischen; Bullshittisierung des Wissens in der Wissensgesellschaft; Schrumpfung realer Subjektivität durch ihre kommunikative Entfesselung.

19:00 Uhr, Margarete-Bieber-Saal, Ludwigstraße 34

 

17.05. PD Dr. Oliver Müller (Freiburg)

Bessere Menschen? Zu den anthropologischen Tiefenstrukturen von Human-Enhancement-Technologien

Medizintechnologien werden immer häufiger über den therapeutischen Einsatz hinaus zu (Selbst-)Optimierungszwecken genutzt. Im Hintergrund stehen oft klassisch humanistische Perfektionierungsideale, aber auch transhumanistische Selbstüberwindungsvisionen. In dem Vortrag werden verschiedene anthropologische und technikphilosophische Reflexionstraditionen herausgearbeitet werden, um zum Verstehen von Human-Enhancement-Technologien und ihrer (krypto)normativen Implikationen beizutragen.

19:00 Uhr, Margarete-Bieber-Saal, Ludwigstraße 34

  

31.05. Prof. Dr. Birgit Recki (Hamburg)

Homo faber. Der Mensch als technisches Wesen

Der Mensch ist von Natur aus auf Kultur angewiesen. Die Rolle der Technik in der Kultur ist so grundlegend und durchdringend, dass Kultur in allen ihren Formen immer auch Technik ist. Der Mensch ist als kulturelles Wesen Homo faber. – Diese These und der Begriff der Technik, der in ihr vorausgesetzt ist, sollen im Vortrag mit Rekurs auf einige klassische Beiträge zur Philosophischen Anthropologie entwickelt werden.

19:00 Uhr, Margarete-Bieber-Saal, Ludwigstraße 34

  

14.06. PD Dr. Oliver Hidalgo (Regensburg)

Neue (Kommunikations-)Technologien als Chance oder Bedrohung der Demokratie?

Der Vortrag taxiert Chancen und Risiken neuer Kommunikationstechnologien für die Demokratie entlang von optimistischen (Digital Democracy, e-Democracy, Liquid Democracy) und pessimistischen Konzepten (Digital Divide, Kommerzialisierung des Web, Privacy) und lotet dabei in anwendungsorientierter Perspektive die Einsatz- und Weiterentwicklungsoptionen der sozialen Medien für eine Erneuerung der Demokratie aus.

19:00 Uhr, Margarete-Bieber-Saal, Ludwigstraße 34

  

28.06. Prof. Dr. Judith Simon (Hamburg) 

Schöne neue Datenwelt: Wissen und Kognition zwischen Mensch und Maschine

Zeitgenössische Datenpraktiken verändern zunehmend tiefgreifend Wissensprozesse in Alltag und Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Auch wenn menschliche Kognition seit jeher durch die technologischen Artefakte ihrer Zeit geprägt ist, so stellt sich in Anbetracht maschinellen Lernens und lernender Maschinen die Frage nach der Zukunft sozio-technischer Kognition: Welche Aufgaben und Rollen können und sollen Menschen und Maschinen in verteilten Wissensprozessen übernehmen?

19:00 Uhr, Margarete-Bieber-Saal, Ludwigstraße 34

 

 

Sie können das Programm auch als Plakat herunterladen.

Margarete-Bieber-Saal (Karte)

 

Kontakt

Prof. Dr. Elif Özmen
Institut für Philosophie, Professur für Praktische Philosophie
Rathenaustraße 8, 2. Stock, Raum 204
35394 Gießen
Telefon: + (49)-641-99-15510
E-Mail: