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Team um Gießener Lungenforscher Prof. Ghofrani erhält den Deutschen Zukunftspreis

Hohe Auszeichnung für zukunftsweisende Entwicklung eines Medikaments gegen Lungenhochdruck – Preis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation geht an Forscherteam der Universität Gießen und des Bayer-Konzerns

Nr. 226 • 2. Dezember 2015

Bundespräsident Joachim Gauck mit den glücklichen Gewinnern des Zukunftspreises: Prof. Ardeschir Ghofrani, JLU, Prof. Johannes-Peter Stasch und Dr. Reiner Frey, beide vom Bayer-Konzern. - Foto: BPA-Bilderdienst

Große Freude herrscht an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU): Der Gießener Lungenforscher Prof. Dr. Ardeschir Ghofrani erhält den Deutschen Zukunftspreis 2015 für die Entwicklung eines Medikaments gegen Lungenhochdruck. Dies hat Bundespräsident Joachim Gauck am 2. Dezember  in feierlichem Rahmen in Berlin bekanntgegeben. Der renommierte Gießener Mediziner erhält den Preis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation gemeinsam mit seinen Kollegen Prof. Dr. Johannes-Peter Stasch und Dr. Reiner Frey, beide vom Bayer-Konzern. Der Zukunftspreis ist mit 250.000 Euro dotiert.

„Im Fokus der 19. Preisverleihung des Deutschen Zukunftspreises stehen Projekte, die aus der deutschen Wirtschaftsgeschichte erwachsen sind: Mobilität, Konstruktion und Fertigung und medizinische Wirkstoffe sind Forschungsbereiche, die einen hohen Stellenwert für den Fortschritt unseres Landes hatten und haben. Immer wieder gab es Forscher und Entwickler, die mit ihrer wissenschaftlichen Leistung und Kreativität Impulse gesetzt und Entwicklungslinien aufgezeigt haben“, heißt es im Geleitwort des Bundespräsidenten: „Der Deutsche Zukunftspreis stellt auch in diesem Jahr Menschen vor, die mit wissenschaftlichen Höchstleistungen marktfähige Produkte und damit Arbeitsplätze geschaffen haben. Sie tragen so dazu bei, das Wohlergehen unseres Landes zu sichern. Und sie zeigen mit ihrer Begeisterung und ihrem Teamgeist, wie aus Ideen Erfolge werden.“ Aus 24 hochkarätigen Einreichungen hatte die  Jury des Deutschen Zukunftspreises im Vorfeld die drei Arbeiten für die endgültige Entscheidung ausgewählt.

„Meine herzlichen Glückwünsche gehen an Prof. Ghofrani und sein Team“, sagte JLU-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee: „Wir an der JLU sind sehr stolz auf diese innovative Forschungsleistung des Gießener Lungenforschers. Der Deutsche Zukunftspreis ehrt einen unserer renommiertesten Mediziner und verleiht dessen exzellenter Arbeit ein weiteres Prädikat“, betonte er: „Dieser Preis ist zudem eine bundesweite Anerkennung der Forschungsstärke der JLU, der Exzellenz der Gießener Lungenforschung, gleichzeitig aber auch der Innovationskraft der gesamten Medizinregion Mittelhessen.“

Prof. Ghofrani, d
Prof. Dr. Ardeschir Ghofrani - Foto: Deutscher Zukunftspreis / Ansgar Pudenz
er in diesem Herbst einen Ruf auf die W3-Professur für Pulmonary Vascular Medicine an der JLU angenommen hatte und zuvor bereits in der Gießener Lungenforschung mit großem Erfolg tätig war, zeigte sich überglücklich über seinen sensationellen Erfolg: „Ich bin überwältigt, dass wir uns in der Endausscheidung mit unserem Team gegen zwei weitere hervorragende Projekte durchsetzen konnten.“ Von der Innovationskraft seiner Forschungsergebnisse ist er überzeugt: „Unser neuartiges Medikament schenkt unseren Patientinnen und Patienten mit Lungenhochdruck neue Hoffnung auf Besserung ihrer schweren Erkrankung. Die Entwicklung von Riociguat, das aus einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Gießener Lungenforschungszentrum und den Wissenschaftlern der Firma Bayer resultierte, steht beispielhaft für das Potenzial, welches in strategischen Forschungsallianzen steckt.“

Prof. Ghofrani ist zudem renommierter Wissenschaftler im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) am Standort Gießen / „Universities of Giessen and Marburg Lung Center“ (UGMLC).  Die JLU ist zum einen Mitglied im DZL und zum anderen zudem Sitz der Zentrale (Vorstandsvorsitzender: Prof. Dr. Werner Seeger, ebenfalls JLU Gießen).

Neuartiges Medikament gegen Lungenhochdruck


Prof. Dr. Ardeschir Ghofrani (JLU), Prof. Dr. Johannes-Peter Stasch und Dr. Reiner Frey (beide Bayer) haben mit ihrem Team ein Medikament zur Behandlung von zwei lebensbedrohlichen Formen des Lungenhochdrucks entwickelt. Menschen, die von dieser schweren Erkrankung betroffen sind, haben eine erheblich eingeschränkte Lebenserwartung. Sie leiden unter Leistungsmangel, Atemnot und kreislaufbedingten Ohnmachtsanfällen, wodurch sie selbst bei alltäglichen Aktivitäten wie Treppensteigen oder beim Verrichten des Haushaltes stark eingeschränkt sind. Bleiben Erkrankte unbehandelt, führt der Lungenhochdruck binnen weniger Jahre zum Tod durch Herzversagen.

Die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech), eine der vorschlagsberechtigten Institutionen des Deutschen Zukunftspreises, hatte das Projektteam um das Medikament für den Deutschen Zukunftspreis vorgeschlagen. Die Erforschung des Wirkmechanismus des Medikaments beruht auf einer 130 Jahre alten Therapie mit Nitroglycerin: Initial als Sprengstoff verwendet, wird es bei Angina pectoris eingesetzt. Im Körper setzt es Stickstoffmonoxid (NO) frei, das die Gefäße erweitert und den Blutdruck senkt, aber auch sehr schnell abgebaut wird. NO wird auch vom Körper selbst gebildet. Patienten mit Lungenhochdruck bilden zu wenig NO und der Druck in den Lungenarterien steigt. Der innovative Wirkstoff dagegen stimuliert direkt ein Enzym namens lösliche Guanylatcyclase (sGC) und beeinflusst es gleichzeitig so, dass es auf das körpereigene NO sensibler reagiert. Die sGC nimmt im Herzkreislauf-System eine Schlüsselfunktion ein und reguliert wichtige physiologische Prozesse, wie zum Beispiel die Erweiterung von Blutgefäßen. Medikamente, welche die sGC direkt stimulieren und somit die Wirkung von NO verstärken oder gar ersetzen können, stellen eine hoffnungsvolle Therapie für Lungenhochdruck dar.

Mittlerweile mehren sich in der Wissenschaft die Anzeichen dafür, dass sGC-Stimulatoren auch bei vielen anderen Herz-Kreislauferkrankungen positive Wirkungen haben können, wenn diese mit einer Störung des NO-sGC-Signalwegs einhergehen. In einer weltweiten strategischen Kooperation arbeitet Bayer mit seinem Partner MSD an einem umfassenden Studienprogramm zur Untersuchung dieses Potenzials.

Lungenhochdruck


Die pulmonale Hypertonie (PH), auch Lungenhochdruck genannt, ist eine schwere, fortschreitende und lebensbedrohliche Krankheit der Lunge und des Herzens. Der Blutdruck in den Lungenarterien ist deutlich erhöht, was zu Herzversagen und zum Tod führen kann. Patienten mit PH leiden unter einer stark eingeschränkten körperlichen Leistungsfähigkeit und einer entsprechend verminderten Lebensqualität. Die häufigsten Symptome der PH sind Atemnot, Erschöpfung (Fatigue), Schwindelgefühl und Ohnmachtsanfälle und werden durch Anstrengung verstärkt. Da die Symptome einer PH nicht spezifisch sind, können bis zur richtigen Diagnose bis zu zwei Jahre vergehen. Eine frühzeitige Diagnose und eindeutige Bestimmung der PH-Form ist essenziell, da eine Verzögerung des Behandlungsbeginns die Lebenserwartung der Patienten verkürzen kann. Außerdem ist es wichtig, die Therapie engmaschig zu überwachen, um sicherzugehen, dass die Patienten für ihren individuellen Krankheitstyp und das Stadium, in dem sie sich befinden, die optimale Therapie erhalten.

Es gibt fünf verschiedene Formen von PH. Jede der fünf Formen kann sich bei Patienten unterschiedlich auswirken, auch die Ursache und klinische Manifestation der PH unterscheiden sich oft. Für die besten Erfolgsaussichten sollten Erkrankte in einer Spezialklinik für PH behandelt werden.

Die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) ist eine Form des Lungenhochdrucks, die durch wiederholt eingeschwemmte Blutgerinnsel (sog. Lungenembolien) aus entfernten Körpervenen ausgelöst wird. Anstatt wie üblich durch körpereigene Mechanismen abgebaut zu werden, vernarben diese Gerinnsel und verschließen einen Teil der Lungenarterien dauerhaft. Damit muss Blut aus der rechten Herzkammer zur Sauerstoffaufnahme in der Lunge durch deutlich weniger Blutgefäße gepumpt werden. Die Folge ist ein erhöhter Druck, der letztlich zu Herzversagen und Tod führen kann. Für viele Patienten stellt ein operativer Eingriff, bei dem die verschlossenen Lungenarterienäste chirurgisch wieder eröffnet werden, eine potenzielle Heilung dar. Allerdings kann diese Operation bei 20-40 Prozent der CTEPH-Patienten nicht durchgeführt werden, und bei bis zu 35 Prozent der Patienten besteht die Krankheit auch nach dem Eingriff noch weiter oder tritt erneut auf. Diese Patienten benötigen eine wirksame medikamentöse Behandlung. Mit dem innovativen Wirkstoff steht erstmals ein zugelassenes Medikament zur Verfügung.

Bei der pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) kommt es ebenfalls zu einer Druckerhöhung im Lungenkreislauf, jedoch ist hier neben einer Verengung der Arterien eine unkontrollierte Zellwucherung die Ursache der Erkrankung. PAH kann erblich bedingt sein, daneben können Infektionen, bestimmte Giftstoffe, sowie einige Medikamente diese ebenfalls tödliche Form des Lungenhochdrucks auslösen. Obwohl es mehrere zugelassene Medikamente für die Behandlung der PAH gibt, bleibt die Prognose für die Patienten ungünstig und neue Behandlungsoptionen werden benötigt.

Über den Wirkstoff


Der Wirkstoff ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie die deutsche Industrie und die akademischen Institutionen in enger Zusammenarbeit wichtige und innovative Behandlungen entwickeln, die schwer kranken Patienten weltweit helfen. Das spezifische Wirkprinzip der sGC-Stimulation und seine medizinische Bedeutung wurden von Bayer-Wissenschaftlern in Wuppertal entdeckt. Die klinische Erforschung und Entwicklung von Riociguat zur Behandlung des Lungenhochdrucks hat Bayer mit führenden Experten des Lungenforschungszentrums „Excellence Cluster Cardio-Pulmonary System“ (ECCPS) der Justus-Liebig Universität Gießen durchgeführt. Diese Zusammenarbeit war der entscheidende Erfolgsfaktor für das Projekt.

Ausgehend von dieser Kooperation wurden klinische Studien an Expertenzentren in ganz Deutschland durchgeführt. Die Ergebnisse bestätigten die hohen Erwartungen aus der frühen Forschung, mit klaren Hinweisen für eine Wirksamkeit bei Patienten mit PAH und CTEPH. Daraufhin wurden unter der Leitung von Professor Ghofrani aus Gießen größere weltweite Studien begonnen. Diese belegten die Wirksamkeit und Sicherheit des Wirkstoffs und führten im März 2014 zur Zulassung durch die europäische Kommission. Inzwischen ist das Präparat in mehr als 50 Ländern zugelassen, darunter die USA und Japan.

  • Weitere Informationen

http://www.deutscher-zukunftspreis.de/de

  • Kontakt

i, Professor für Pulmonary Vascular Medicine
Aulweg 130, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-42422


Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, Telefon 0641 99-12041