Frühwarnung: Physiker aus Gießen, Potsdam und Tel Aviv prognostizieren „El Niño“ für 2020
Gefürchtetes Wetterphänomen im Pazifikraum soll mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit zurückkehren
Nr. 219 • 4. November 2019
Gemeinsame Pressemitteilung der Justus-Liebig-Universität Gießen und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung
Das folgenreiche Wetterphänomen „El Niño“ könnte schon bald erneut in der Pazifikregion auftreten. Forscher der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und der Bar-Ilan Universität in Ramat Gan, Israel, gehen gemeinsam davon aus, dass es zum Jahresende 2020 wahrscheinlich wieder einen „El Niño“ geben wird. Die üblicherweise verwendeten Vorhersage-Modelle sehen dafür noch keine Anzeichen. Die bahnbrechend frühzeitige Prognose basiert auf einem von den Forschern entwickelten neuartigen Algorithmus, der auf einer Netzwerk-Analyse der Lufttemperaturen im Pazifikraum beruht und bereits die beiden letzten „El-Niño“-Ereignisse mehr als ein Jahr im Voraus korrekt prognostizierte. Solche langfristigen Vorhersagen können z.B. Bauern in Brasilien, Australien oder Indien helfen, sich vorzubereiten und die Aussaat entsprechend anzupassen.
„Die konventionellen Methoden sind nicht zu einer verlässlichen ‚El Niño‘-Prognose mehr als sechs Monate im Voraus in der Lage. Mit unserer Methode haben wir die bisherige Vorwarnzeit in etwa verdoppelt“, betont JLU-Physiker Prof. Dr. Armin Bunde, der gemeinsam mit seinem ehemaligen Doktoranden Dr. Josef Ludescher die Entwicklung des Algorithmus initiiert hatte. Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, Direktor Emeritus des PIK, erklärt: „Diese geschickte Kombination aus Messwerten und Mathematik ermöglicht uns einzigartige Einsichten – und diese stellen wir den betroffenen Menschen zur Verfügung.“ Er weist daraufhin, dass auch die neue Methode selbstverständlich keine hundertprozentige Sicherheit bietet: „Die Wahrscheinlichkeit, dass ‚El Niño‘ 2020 kommt, liegt bei etwa 80 Prozent. Aber das ist ziemlich signifikant.“
Josef Ludescher, der mittlerweile am PIK tätig ist, betont: „Auch das Ausbleiben eines weiteren ‚El Niño‘ in 2019 wurde von uns bereits Ende letzten Jahres vorhergesagt. Erst seit Juli stimmen die offiziellen Prognosen unserer Vorhersage zu.“ Das Team ist derzeit dabei, den Algorithmus zu erweitern, um künftig auch Aussagen über die Stärke und Länge des Wetterphänomens treffen zu können.
Mit einer Vorwarnzeit von bislang höchstens einem halben Jahr sind die Menschen in den Tropen und Subtropen in unregelmäßigen Abständen um die Weihnachtszeit herum schlecht vorbereitet mit den verheerenden Folgen von „El Niño“ (spanisch für „das Christkind“) konfrontiert – leere Fischernetze und sturzbachartige Regenfälle in Peru sowie ausgedehnte Dürreperioden in Teilen Südamerikas, Indonesiens, Australiens und Afrikas. Darüber hinaus kann es über dem indischen Subkontinent zu einer Änderung des Monsunverlaufs und in Kalifornien zu mehr Niederschlägen kommen.
Die Forscher nutzen für ihre Untersuchungen ein Netzwerk aus atmosphärischen Temperaturdaten im tropischen Pazifik, das aus 14 Gitterpunkten im äquatorialen „El Niño“-Kerngebiet und 193 Punkten im Pazifikraum außerhalb dieses Kerngebietes besteht. Die Physiker hatten herausgefunden, dass schon im Jahr vor dem Ausbruch eines „El Niño“ die Fernwirkung zwischen den Lufttemperaturen inner- und außerhalb des Kerngebiets deutlich stärker wird. Insbesondere diesen Effekt nutzten sie für die Optimierung ihres Prognose-Algorithmus.
Die Entdeckung der neuen Methode wurde erstmals im Sommer 2013 in einem Artikel der renommierten „Proceedings of the National Academy of Sciences“ publiziert.
Für die Untersuchungen standen den Forschern zuverlässige Daten aus dem Zeitraum zwischen Anfang 1950 und Ende 2011 zur Verfügung. Der Zeitabschnitt zwischen 1950 und 1980 diente ihnen als Lernphase für die Bestimmung der Alarmschwellen. Mithilfe dieses Algorithmus konnten dann die „El Niño“-Ereignisse in der Zeit danach prognostiziert und mit den tatsächlichen Ereignissen verglichen werden. In 80 Prozent der Fälle war der Alarm korrekt und das „El Niño“-Ereignis konnte zutreffend bereits im Jahr zuvor vorhergesagt werden.
- Publikation
Josef Ludescher, Armin Bunde, Shlomo Havlin, Hans Joachim
Schellnhuber (2019): Very early warning signal for El Niño in 2020 with a 4 in 5 likelihood.
arXiv:1910.14642, https://arxiv.org/abs/1910.14642
- Kontakt
Prof. Dr. Armin Bunde
Institut für Theoretische Physik der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU)
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E-Mail: arminbunde00@gmail.com
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