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Stolpersteine erinnern an Arzt und Patientin der Gießener Universitätsmedizin

Vor dem Medizinischen Lehrzentrum werden am 6. September 2023 Stolpersteine für die NS-Opfer Prof. Dr. Franz Soetbeer und Valentina Kusnezowa verlegt

Nr. 128 • 30. August 2023 

Zum Gedenken an zwei Opfer des Nationalsozialismus werden vor dem Medizinischen Lehrzentrum der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) am 6. September 2023 zwei Stolpersteine verlegt: für den Arzt Prof. Dr. Franz Soetbeer und für die Patientin Valentina Kusnezowa. Beide haben einen Bezug zur Gießener Universitätsmedizin und wurden ausgewählt vom Dekanat des Fachbereichs Medizin in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Volker Roelcke, Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der JLU. Stolpersteine sind in den Boden eingelassene Gedenktafeln aus Messing für Opfer des NS-Regimes, ein europaweites Kunstdenkmal des Künstlers Gunter Demnig. In die Messingtafeln sind Inschriften mit den Lebensdaten der Menschen eingraviert, an die sie erinnern. 

Prof. Dr. Franz Soetbeer war Arzt an der Medizinischen Fakultät Gießen. Am 20. Juli 1933 wurde Prof. Soetbeer, der als Jude (Halbjude) galt, gemäß „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ die Lehrbefugnis entzogen und der Zutritt zur Klinik verwehrt; die Bezeichnung „außerordentlicher Professor“ wurde ihm aberkannt. Im Jahr 1943 starb er in Gestapohaft in Gießen, vermutlich durch Misshandlungen und Folter. Für ihn wurde 2010 bereits ein Stolperstein in Gießen vor seinem damaligen Wohnhaus in der Alicenstraße 6 verlegt.

Valentina Kusnezowa war eine belarussische Zwangsarbeiterin, die vermutlich aufgrund von Misshandlungen im Rahmen ihrer Zwangsarbeit in die Psychiatrische Klinik der Universität Gießen aufgenommen und von hier weiterverlegt wurde. Sie starb in der „Landesheilanstalt“ Hadamar unter unklaren Umständen. Man kann davon ausgehen, dass ihre Todesursache gefälscht wurde und sie durch eine systematische Krankentötung („Euthanasie“) ums Leben kam.

„Auch an der Medizinischen Fakultät der Gießener Universität und am Klinikum Gießen wurden während der Zeit des NS-Regimes Menschen verfolgt, vertrieben, denunziert, in den Selbstmord getrieben oder ermordet“, sagt der Dekan des Fachbereichs Medizin Prof. Dr. Wolfgang Weidner. „Der Fachbereich Medizin möchte mit der Stolpersteinverlegung in Gedenken an zwei jener Opfer an unser aller Verantwortung für die Aufarbeitung der in dieser Zeit verübten Verbrechen erinnern.“ 

„Mit diesen Stolpersteinen bleibt ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte in unserem Alltag präsent, an dem auch die Gießener Universität ihren Anteil hatte“, so JLU-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee. „Wir fügen damit den verschiedenen Gedenkorten für die Opfer der NS-Zeit an der JLU eine weitere Form der Erinnerung hinzu.“

Zur feierlichen Verlegung der beiden Stolpersteine am Mittwoch, 6. September 2023, um 16 Uhr am Medizinischen Lehrzentrum (Klinikstraße 29, Gießen) sind Interessierte herzlich eingeladen. Die beiden Messingtafeln werden nebeneinander vor dem Haupteingang eingelassen. Es sind die ersten Stolpersteine auf dem Gelände der JLU.

Ein anonymer Spender übernimmt die Kosten für die Stolpersteine. Organisiert wird die Verlegung durch die Koordinierungsgruppe Stolpersteine Gießen. Das Dezernat E – Liegenschaften, Bau und Technik der JLU steuert die handwerklichen Leistungen bei. Da der Künstler verhindert ist, erfolgt die Verlegung durch Mitarbeiter der Universität.

Gunter Demnig hat das Kunstdenkmal Stolperstein im Jahr 1992 entwickelt. Inzwischen liegen mehr als 100.000 Stolpersteine in Deutschland und zahlreichen anderen Ländern Europas. Seit 2015 werden die Stolpersteine durch die gemeinnützige Organisation „STIFTUNG – SPUREN – Gunter Demnig“ organisatorisch und operativ geführt.

Die Inschriften der Stolpersteine lauten:

HIER PRAKTIZIERTE/LEHRTE
DR. FRANZ
SOETBEER
JG. 1870
ENTZUG DER
LEHRBEFUGNIS 1936
DENUNZIERT
VERHAFTET 1943
TOT 1943 IM
GESTAPO-HAUS GIESSEN

HIER BEHANDELT
VALENTINA
KUSNEZOWA
JG. 1926
WEISSRUSSLAND
ZWANGSARBEITERIN
EINGEWIESEN 10.1.1944
´VERLEGT`13.6.1944
HADAMAR
ERMORDET 16.6.1944

  • Termin

Mittwoch, 6. September 2023, 16 Uhr
Medizinisches Lehrzentrum, Klinikstraße 29, Gießen

Begrüßung:
• Prof. Dr. Wolfgang Weidner, Dekan des Fachbereichs Medizin der JLU
• Prof. Dr. Andreas Böning Ärztlicher Direktor der Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Gießen

Ansprachen:
• Pfarrer Dr. Gabriel Brand, Evangelisches Dekanat Gießen
• Prof. Dr. Volker Roelcke, Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der JLU

 

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