Pauline Reinecke
Ich bin Pauline Reinecke, geb. 1990, und habe von 2013 bis 2015 an der JLU meinen Master in BWL mit Schwerpunkt Finanzierung absolviert. Im Bachelor habe ich ein Duales Studium absolviert und in dieser Zeit erste Arbeitserfahrungen gewonnen, die ich durch zahlreiche Praktika im Master ergänzen konnte, u.a. im Inhouse Consulting der Otto Gruppe in Hamburg, im Controlling bei Beiersdorf in Paris, im CFO (Chief Financial Officer) Consulting bei Deloitte in Hamburg und im Deal Advisory bei KPMG in Köln. Aufgrund der guten Erfahrung im Praktikum bei KPMG habe ich noch während meiner Masterarbeit ein Übernahmeangebot erhalten und meinen Arbeitsvertrag unterschrieben.
Frau Reinecke, Sie haben den Master Betriebswirtschaftslehre an der JLU studiert. Was hat Sie dazu bewegt, sich für Gießen und diesen Studiengang zu entscheiden?
Nach Abschluss des Dualen Studiums hegte ich den Wunsch, einen Master an einer staatlichen Universität zu absolvieren, die mir die Freiräume bietet, die das Duale Studium nicht bot: Praxiserfahrung durch Praktika im In- und Ausland sowie ein Auslandssemester mit Präferenz in China. Bei der Suche nach einer geeigneten Uni hat die JLU mich in zwei Punkten überzeugt: das Kursprogramm im Master, welches viele Kombinationsmöglichkeiten sowie umfassende Vorlesungen aus dem Bereich Finance, Accounting und M&A bietet, sowie das Austauschprogramm mit der UIBE Peking, welches eine gute Ergänzung zum Kursprogramm in Gießen darstellt und eine Anrechnung der Credits aus dem Ausland für den Abschluss in Gießen ermöglicht.
Welche besonderen Erinnerungen verbinden Sie mit Ihrer Zeit an der JLU?
Besonders gefallen hat mir die Wahlfreiheit, neben den Pflichtmodulen im Schwerpunkt auch zusätzliche Wahlmodule aus einer großen Themenvielfalt belegen zu können. Ferner haben mir die Vorlesungen M&A und Temporary Issues in Accounting and Finance große Freude bereitet, da wir im Rahmen von Case Studies und Diskussionsrunden mit einer Vielzahl von Kooperationsunternehmen einen interessanten Austausch zu aktuellen Themen aus dem Bereich Corporate Finance und Strategie hatten.
Während ihres Studiums haben Sie einige Zeit an der University of International Business and Economics in Beijing verbracht. Wie unterscheidet sich ein Studium in Deutschland von einem Studium in China?
Die Theorien waren weitestgehend dieselben, die Anwendungsbeispiele jedoch auf den chinesischen Markt bezogen, welcher einer größeren staatlichen Regulatorik auf der einen und einer starken Wachstumsdynamik auf der anderen Seite unterliegt. Auch der Umgang mit Ressourcen (Material, Personal) sowie die Rolle von Geschäftsbeziehungen unterscheiden sich stark.
Nutzt die Zeit und die vielfältigen Möglichkeiten, um z.B. ins Ausland zu gehen oder Einblicke in die Praxis zu erhalten.
Geschäfte werden in China schwerpunktmäßig durch funktionierende soziale Beziehungen der Geschäftspartner und weniger durch Verträge gesichert. Hintergrund ist, dass das Rechtssystem in China sich spät etabliert hat und Eigentumsrechte lange nicht anerkannt wurden. Daher verlassen Chinesen sich eher auf Treu und Glauben als auf Verträge.
Was haben Sie aus der Zeit in China für sich persönlich mitnehmen können?
Persönlich habe ich an Selbstständigkeit, Offenheit und Kontaktfreude an fremden Kulturen gewonnen. Auf dem Campus waren über 20.000 Studenten aus aller Welt. Ich habe die Zeit neben dem Studium genutzt, um viel zu reisen: China, Taiwan, Singapur, Hongkong, Indonesien. Ferner habe ich in der Zeit Chinesisch gelernt, weil ich neben der Uni einen Chinesisch-Intensivkurs belegt habe.
Wie haben Sie Ihre aktuelle Stelle gefunden und wie war der Bewerbungsablauf?
Ich kam bei einer Recruitingveranstaltung mit KPMG in Kontakt. Daraus entstanden zwei Interviews, im Finance Consulting und im Deal Advisory Transaction Service. Letzteres führte zunächst zu einem dreimonatigen Praktikum und nach erfolgreicher Beendigung wiederum zum Festeinstieg nach meinem Studium.
Welche persönlichen Herausforderungen ergaben sich bei Ihnen im Berufseinstieg?
Unsere Beratung hat zumeist direkte Auswirkungen auf den Kaufpreis für das Zielunternehmen. Folglich ist ständige Sorgfalt bei der Aufbereitung von Zahlen und Analysen geboten, die häufig unter hohem Zeitdruck und einer Informationsflut zu leisten sind. Das war für mich am Anfang eine Herausforderung und umso wichtiger ist es, einen offenen Austausch im Team zu haben. Bereits im Praktikum habe ich mich bei KPMG wohl gefühlt und mich u.a. deshalb für den Festeinstieg entschieden.
Wie kann man sich Ihren Arbeitstag vorstellen?
Wir führen die Financial Due Diligence innerhalb eines M&A Prozesses durch und können als Berater für beide Transaktionspartner auftreten, je nachdem ob wir vom Käufer oder Verkäufer beauftragt werden. Auf der Käuferseite erhalten wir Finanzinformationen von Unternehmen, die wir sichten und analysieren. Typische Analysen beinhalten beispielsweise Working Capital und Net Debt, die im Zusammenhang von Vertragsverhandlungen zu Kaufpreisanpassungen führen können. Weiterhin analysieren wir die historische Entwicklung von GuV, Bilanz und Cash Flow und untersuchen den Business Plan, den das Management des Zielunternehmens aufstellt. Die notwendigen Finanzinformationen erhalten wir über einen elektronischen Datenraum (VDR) sowie Q&A Sessions und Management Meetings. Auf der Verkäuferseite unterstützen wir bei der Zusammenstellung relevanter Finanzinformationen und Kennzahlen, bei Q&A Sessions mit potentiellen Bietern und im Zusammenhang von Vertragsverhandlungen.
Welche Qualifikationen und Fähigkeiten sind für Ihre aktuelle Arbeit nötig und/oder hilfreich?
Als Senior Associate arbeite ich viel in Excel und erstelle Datenbücher mit allen Unternehmensanalysen zu GuV, Bilanz und Cash Flow. Diese bilden die Basis für die Beratung unseres Mandanten. Ferner betreue ich die Q&A Sessions, bereite Management Meetings vor und dokumentiere Expert Calls.
Inwiefern hat Sie Ihr Studium auf Ihre aktuelle Position vorbereitet?
Im Studium habe ich Fächer im Bereich M&A, Corporate Finance, Accounting und Strategie belegt, die allesamt die Grundlage für meine berufliche Tätigkeit bilden. Insbesondere Accounting Kenntnisse sind elementar, um Finanzinformationen zu verstehen und Kaufpreisrelevante Positionen zu identifizieren. Weiterhin habe ich in einem Seminar eine vollständige Unternehmensbewertung durchgeführt, wodurch ich die Anwendung von Bewertungsmethoden festigen konnte. Da wir internationale Kunden beraten und unsere Berichte meistens auf Englisch schreiben, war es hilfreich, dass viele Kurse direkt auf Englisch angeboten wurden.
Welchen persönlichen Rat haben Sie für Gießener Studierende?
Nutzt die Zeit und die vielfältigen Möglichkeiten, um z.B. ins Ausland zu gehen oder Einblicke in die Praxis zu erhalten. Für mein Praktikum in Paris habe ich Unterstützung durch Erasmus erhalten und für mein Studium in Peking ein Stipendium beim DAAD. Beide Aufenthalte waren wertvolle Erfahrungen, an denen ich gewachsen bin.
Für mein Praktikum in Paris habe ich Unterstützung durch Erasmus erhalten und für mein Studium in Peking ein Stipendium beim DAAD.
Über die Teilnahme an Veranstaltungen, die die Professoren über Ihre Kontakte in die Wirtschaft initiieren, habe ich wertvolle Persönlichkeiten getroffen, z.B. den CFO der Deutschen Bank im Kamingespräch über das Schmalenbach Institut, den CFO von Fielmann und Adidas, einen Managing Director von Goldmann Sachs, den Leiter Strategie von RWE und ein M&A Team von PWC. Aus allen Begegnungen habe ich Inspiration für meine persönliche Karriere mitgenommen.
Wir bedanken uns für das Gespräch!
(Das Interview wurde im Juli 2017 geführt)