Papyri
Die Gießener Papyrussammlungen
Insgesamt sind in Gießen drei abgeschlossene Papyrussammlungen mit zusammen über 2.300 Papyri bzw. Papyrusfragmente zu unterscheiden. Die Sammlungen wurden im Wesentlichen vor dem 1. Weltkrieg mit Hilfe des "Deutschen Papyruskartells" aufgebaut und befinden sich alle in der Universitätsbibliothek:
- Die "Papyri Gissenses (P. Giss.)" – Die älteste Sammlung legten 1902-13 der (damalige Giessener) Althistoriker Ernst Kornemann (1868-1946) sowie der Giessener Industrielle Wilhelm Gail (1854-1925) im Museum des Oberhessischen Geschichtsvereins in Giessen an. Sie wurde 1930 in die Universitätsbibliothek überführt.
Ihr bedeutendstes Stück ist die weltweit einzige erhaltene fragmentarische Abschrift des Originalwortlauts der 212/3 erlassenen Constitutio Antoniniana Kaiser Caracallas in griechischer Sprache. Darin wird allen freien Einwohnern des Römischen Reiches das römische Bürgerrecht verliehen.
2017 ist dieser Papyrus (P.Giss. 40/P.Giss.inv. 15), der aus dem Jahr 215 stammt, in das Weltdokumentenerbe („Memory of the World“) der UNESCO (die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) aufgenommen worden.
Über die Constitutio Antoniniana können Sie sich ausführlich auf einer neuen Website informieren.
- Die "Papyri bibliothecae universitatis Gissensis (P.b.u.G.)" – Diese begründeten die Klassischen Philologen Otto Immisch (1862-1936) und Alfred Körte (1866-1946) seit 1908 als eigene Sammlung für die Universitätsbibliothek. Sie sollte Lehr- und Forschungszwecken dienen.
- Die "Papyri Iandanae (P. Iand.)" – Bei dieser Sammlung handelt es sich um die 1905 begründete Privatsammlung des Gießener Klassischen Philologen Karl Kalbfleisch (1868-1946), der sie nach seinem Großvater Karl Reinhold Janda benannte. Kalbfleisch vermachte sie nach seinem Tod testamentarisch der Universitätsbibliothek. Besonders bedeutend ist ein sehr frühes Cicero-Fragment (s. Abb.) aus dessen 'Reden gegen Verres'.
Inhalt und Aufbewahrung der Papyrussammlungen
Die in Gießen aufbewahrten Papyri datieren vom 4. Jahrhundert vor bis zum 8. Jahrhundert nach Christus. Sie bestehen u.a. aus Verwaltungsschriftgut, literarischen und religiösen Texten, juristischem Material, Quittungen, Abrechnungen und zahlreichen Briefen. Darunter finden sich vor allem griechische, aber auch hieroglyphische, hieratische, demotische, lateinische, koptische und arabische Texte. Besonders hervorzuheben sind 3 Wachstafeln.
Die Papyri waren zunächst nur teilweise verglast und während des Zweiten Weltkrieges ausgelagert: Die "Papyri Iandanae" überstanden den Krieg im Keller der Universitätsbibliothek nahezu unbeschadet, obwohl die Bibliothek 1944 durch eine Bombe getroffen worden war. Die "Papyri Gissenses" sowie die "Papyri bibliothecae universitatis Gissensis" verbrachte man in den Tresor der Dresdner Bank in Gießen, wo sie im Frühjahr 1945 durch einen Grundwasserschaden zum Teil stark beschädigt wurden. Ab 1950 inventarisierte der Gießener Althistoriker Hans Georg Gundel (1912-1999) erstmals alle Stücke und restaurierte sie teilweise. Die Gießener Papyri wurden im Rahmen eines DFG-Projektes (1999-2001) vollständig verzeichnet, kommentiert, verglast und digitalisiert.
Die Papyri können Sie nach Voranmeldung im Sonderlesesaal für Forschungszwecke einsehen.
Recherche
- Die im Rahmen des DFG-Projekts ausführlich kommentierten Digitalisate können Sie in der Gießener Papyrus- und Ostrakadatenbank online recherchieren. Die alte Version wurde 2012 abgebrochen und eingestellt. Seit 2013 steht die Datenbank in neuer Form über die Universität Leipzig zur Verfügung. Der aktuelle Stand der zur Publikation vergebenen Stücke wird hier nachgewiesen.
- Die Gießener Papyrussammlungen können Sie ebenfalls im Papyrusportal recherchieren, über das Sie auch Zugang zu weiteren Papyrussammlungen in Deutschland haben.
- Hier finden Sie digitalisierte Literatur und weitere Informationen zu den Gießener Papyri.
- Die UB pflegt eine umfangreiche papyrologische Handbibliothek (die älteren Signaturen beginnen mit „Pap …“, die neueren mit „000 AM 45000 - AM 45900“).
Die Bestände können Sie in JUSTfind und im Katalog (OPAC) recherchieren.