Kreuzbandriss
Kreuzbandriss
Übersicht
Eine Pathologie des vorderen Kreuzbandes ist die häufigste Ursache für eine Lahmheit der Hintergliedmaßen beim Hund. Auch Katzen können einen Schaden am vorderen Kreuzband aufweisen. Der Riss des vorderen Kreuzbandes entsteht meist durch eine Degeneration des Bandes. Dies unterscheidet sich von der Entstehung eines Kreuzbandrisses beim Menschen, bei dem meist ein Sportunfall ursächlich ist und das Band traumatisch reißt. Von einer degenerativen Ursache ist insbesondere bei großwüchsigen Rassen auszugehen, welche über einen längeren Zeitraum eine leichte Lahmheit der betroffenen Gliedmaße aufweisen. Die fortschreitende Degeneration macht das Band zunehmend fragil, wodurch auch kleinere Bagatelltraumata zu einem vollständigen Riss führen können. Ähnlich wie beim Menschen können Kreuzbandrisse allerdings auch durch eine akute Überbeanspruchung des Bandes entstehen. Sowohl Teilrisse als auch vollständige Risse des vorderen Kreuzbandes verursachen Lahmheiten. Die resultierende Instabilität des Gelenkes führt zu einer Gelenksentzündung, einer Knorpeldegeneration sowie einer Entstehung von Gelenkarthrose. Letztere ist nicht reversibel und kann somit Hunde dauerhaft in ihrer Bewegung und Lebensqualität einschränken. Zusätzlich zur Schädigung des vorderen Kreuzbandes kann die Gelenkinstabilität zu einer Schädigung der Menisken (meist des Innenmeniskus) führen.
Welche Symptome zeigen die betroffenen Patienten?
Patienten mit einer akuten Ruptur des vorderen Kreuzbandes zeigen meist eine vollständige Entlastung der betroffenen Gliedmaße. Zeigt der Patient eine chronische bei Belastung stärker werdende Lahmheit, kann ein Teilriss des Bandes vorliegen. Häufig auffällig ist, dass das betroffene Knie beim Sitzen nach außen gehalten wird (positiver Sitztest).
Wie wird die Diagnose gestellt?
Die Diagnose eines vorderen Kreuzbandrisses wird meist schon durch die klinische Untersuchung gestellt. Neben einer Ganganalyse erfolgt eine Untersuchung des gesamten Bewegungsapparates zum Ausschluss weiterer orthopädischer Probleme. Bei einer bestehenden Pathologie des vorderen Kreuzbandes fällt meist eine vermehrte Gelenkfüllung sowie eine Schmerzhaftigkeit bei Bewegung des Gelenkes auf. Durch möglicherweise bereits ausgeprägte arthrotische Veränderungen kann gegebenenfalls ein Knirschen (Pseudokrepitation) im Gelenk ausgelöst werden. An der Innenseite des Gelenkes ist häufig eine Verdickung festzustellen, die auf eine Fibrose der Gelenkkapsel hinweist. Bei einem bestehenden Meniskusschaden kann während Beugung und Streckung des Gelenkes eventuell ein Klicken hörbar sein. Die diagnosebringenden Untersuchungen sind der Schubladentest sowie der Tibiakompressionstest. Hierbei wird überprüft, ob eine Instabilität des Gelenkes vorliegt. Ein positiver Befund liegt vor, wenn der Unterschenkel in Relation zum Oberschenkel nach vorne verschoben werden kann. In diesem Fall wäre die Diagnose eines vorderen Kreuzbandrisses gestellt. Eine zusätzliche röntgenologische Untersuchung erfolgt zur Einschätzung schon bestehender sekundärer Folgeveränderungen (z.B. Osteoarthrosen) und zum Ausschluss weiterer Pathologien. Zu beachten ist, dass im Falle eines Teilrisses des vorderen Kreuzbandes unter Umständen keine Instabilität des Gelenkes manuell auszulösen ist. In diesen Fällen kann es notwendig werden weitere Untersuchungen für die Diagnosestellung anzuschließen. Hierzu wird die Durchführung einer Gelenkspiegelung (Arthroskopie) oder einer chirurgischen Gelenkeröffnung (Arthrotomie) empfohlen. Von Vorteil ist, dass im Rahmen dieser diagnostischen Untersuchungen ebenfalls das Vorliegen von Meniskus- und Knorpelschäden überprüft werden kann. Meniskusschäden können gegebenenfalls während der gleichen Sitzung therapiert werden. Daher wird die Durchführung einer Arthroskopie/Arthrotomie auch im Falle eindeutiger vollständiger Risse empfohlen.
Wie wird die Erkrankung therapiert?
Die konservative Therapie eines vorderen Kreuzbandrisses mittels Ruhighaltung und Gabe von entzündungshemmenden Schmerzmedikamenten kann aufgrund sich entwickelnder relevanter Folgeschäden (u.a. Arthose, Knorpelschäden und Gelenksfibrose) nicht empfohlen werden. Vielmehr ergeht der Rat zur operativen Versorgung. Dies gilt sowohl für vollständige als auch teilweise Risse des vorderen Kreuzbandes. Das Ziel besteht darin, das insuffiziente vordere Kreuzband funktionell zu ersetzen und das Kniegelenk dadurch zu stabilisieren. In der Tiermedizin erfolgt die chirurgische Therapie eines vorderen Kreuzbandrisses meist durch eine Anpassung der Biomechanik des betroffenen Kniegelenkes oder durch eine äußere Stabilisation des Gelenkes mittels Einbringen eines chirurgischen Fadens. Ein Ersatz des vorderen Kreuzbandes im Gelenk konnte sich gegenüber den anderen Techniken in der Tiermedizin nicht durchsetzen.
Anpassung der Biomechanik:
Die Verfahren zur Anpassung der Biomechanik von Kniegelenken mit vorderer Kreuzbandruptur bedarf einer genauen präoperativen Planung und Durchführung.
Nach der Durchführung eines definierten Knochensägeschnittes (Osteotomie) im Bereich des oberen Schienbeinareals erfolgt ein zuvor geplantes Rotieren des abgesägten Knochenanteils zur geometrischen Anpassung der am Knie wirkenden Kräfte. Im Anschluss wird der mobile Schienbeinanteil mit einer eigens für die jeweilige Operationstechnik entwickelten Knochenplatte fixiert. Durch die neuen mechanischen Bedingungen wird der, durch den vorderen Kreuzbandriss erst möglich gemachte, abnorme Vorschub des Unterschenkels funktionell verhindert, wodurch das Kreuzband funktionell ersetzt wird. Das Einbringen eines künstlichen Bandes ist hierdurch nicht mehr notwendig. Zahlreiche unterschiedliche Knochenumstellungstechniken werden in der Literatur beschrieben. Die weltweit am häufigsten angewandte Technik wird als Tibial Plateau Leveling Osteotomy (TPLO) bezeichnet und wird derzeit von vielen Orthopäden als Goldstandard angesehen. Auch an unserer Klinik wird diese Operationsmethode für sowohl teilweise und vollständige vordere Kreuzbandrisse empfohlen. Die Operationsmethode ist durchführbar an Hunden der allermeisten Größen. Bei Toy-Rassen muss individuell entschieden werden, ob die OP-Methode angewandt werden kann.
Extrakapsuläre Technik:
Die am häufigsten angewandte extrakapsuläre Technik wird als laterale Fadenzügelung bezeichnet. Hier wird außerhalb der Gelenkkapsel ein chirurgischer Faden um die laterale Fabella (Sesambein des lateralen Anteils des Musculus gastrocnemius) gelegt und danach durch ein oder zwei Bohrlöcher im Bereich des proximalen Schienbeines geführt und anschließend verknotet. Der Faden ersetzt funktionell das vordere Kreuzband.
Welche Prognose hat die Erkrankung?
Das Ziel der Therapie ist ein Gangbild frei von Lahmheit und Schmerzen. Eine normale Aktivität kann in den meisten Fällen nach erfolgreicher Therapie erwartet werden. Durch die Entwicklung degenerativer Gelenkveränderungen (z.B. Arthrose) kann dieses Ziel jedoch beeinträchtigt werden. Das Ziel der operativen Stabilisation des betroffenen Kniegelenkes besteht darin, dass die Entwicklung der oben genannten Folgeschäden zumindest verlangsamt oder bestenfalls aufgehalten wird. Prognostisch wichtig ist die Kenntnis über vor Therapiebeginn bereits bestehende Arthrosen. Diese sind irreversibel und können daher auch durch eine Operation nicht behoben werden. Die TPLO ist derzeit die Therapie, bei der dem Voranschreiten der Arthrose am effektivsten entgegengewirkt wird. Ein Voranschreiten der Sekundärschäden kann jedoch nicht vollends ausgeschlossen werden.