Hörstörungen und Hörtest bei Hund und Katze (Brainstem Auditory Evoked Response)
Wie hört ein Hund oder eine Katze ?
Höreindrücke entstehen über Töne, die in Form von Schwingungen über die Luft übertragen werden. Diese Luftschwingungen gelangen über das Trommelfell ins Innenohr bis in die Hörschnecke (Cochlea). In diesem Anteil des Innenohres befinden sich die so genannten Haarzellen, die auf dem Boden eines Schlauches angeordnet sind.
Dieser Schlauch und die Membran mit den Haarzellen ist wie ein Schneckenhaus spiralig aufgedreht, um möglichst viele Zellen auf kleinstem Raum unterzubringen. In dem Schlauch ragt eine spezielle Membran (Tektorialmembran) in den Hohlraum des Schlauches und überragt die Haarzellen wie ein Dach entlang der ganzen Länge des Cochleaschlauches. Diese Membran wird durch die Vibrationen der Luft, die vom Trommelfell auf die Cochlea übertragen werden in Schwingungen versetzt, wodurch die Härchen der Haarzellen abgeknickt werden. Dadurch entsteht ein elektrischer Impuls, der an das Gehirn gesendet wird.
Um zu verstehen wie wir und unsere Haustiere unterschiedliche Töne hören muss man noch verstehen, dass diese Membran nicht überall gleich dick ist. Die Stärke der Tektorialmembran nimmt vom Anfang des Schlauches bis zu seinem Ende hin kontinuierlich ab. Dadurch ist die Membran an unterschiedlichen Stellen auch für die Aufnahme unterschiedlicher Schwingungen empfänglich. Man spricht hier von unterschiedlichen Frequenzen um die Schwingungen zu beschreiben. Die Frequenz gibt an, wie oft die Schallwelle die Luft pro Sekunde zum Schwingen bringt. Schwingt die Luft sehr schnell, dann hören wir das als ganz hohen Ton. Schwingt die Schallwelle nur langsam, so entsteht der Höreindruck eines tiefen Tons. Das kommt daher, dass die Tektorialmembran durch ihre unterschiedliche Stärke durch eine bestimmte Frequenz nur an einem Abschnitt der Membran selber in Schwingung versetzt werden kann, und die dort befindlichen Haarzellen anregt, die dann im Gehirn die Wahrnehmung eines Tones in einer bestimmten Höhe auslösen. Die sehr hohen Töne werden von Haarzellen ausgelöst, die in der Hörschnecke ganz unten sitzen.
Wodurch entstehen Einschränkungen des Hörvermögens bei Hund und Katze?
Mit zunehmendem Alter nutzen sich die Haarzellen ab und degenerieren. Da die Zellen nicht regeneriert werden können, kommt es bei alten Hunden oft zu einem Verlust des Hörvermögens für hohe Töne, da diese im Laufe des Lebens am meisten beansprucht werden. Hundepfeifen werden oft nicht mehr gehört, da diese besonders hohe Töne aussendet. Man spricht hier von einer Alters-Schwerhörigkeit, die sich zur Taubheit steigern kann (Presbyakusis). Jede Hunderasse und auch Katzen können von einer solchen Hörbeeinträchtigung betroffen sein.
Bei manchen Hunderassen tritt im mittleren Lebensalter bereits eine Degeneration der Haarzellen ein, die aber nicht mit einem selektiven Hörverlust für manche Töne beginnt, sondern, sondern bei denen ein abrupter totaler Hörverlust einsetzt. Oft ist dieser mit einem Vestibularsyndrom verbunden, da auch im Gleichgewichtssystem ähnliche Haarzellen zu finden sind, die ebenfalls degenerieren. Der Cavalier King Charles Spaniel ist am häufigsten von diesem degenerativen Hörverlust betroffen.
Leitungstaubheit
Bei unseren Haustieren ist das Mittelohr zu einer Knochenblase erweitert. Diese „Bulla“ wird nach außen vom Trommelfell begrenzt und nach innen grenzt sie an die Hörschnecke und das Gleichgewichtsorgan. Entzündungen des äußeren Ohres können auf die Bulla übergreifen und sich dort festsetzen. Entzündliche Flüssigkeit wird produziert, die aus dem Mittelohr kaum abfließen kann. Eine solche Mittelohrentzündung führt zu einer Beeinträchtigung der Schallweiterleitung. Der Höreindruck ist quasi so, als würde man sich das Ohr zuhalten.
Nicht immer ist die Ansammlung von Flüssigkeit mit einer Entzündung vergesellschaftet. Bei brachycephalen Hunderassen (Mops, Französische Bulldogge, Cavalier King Charles Spaniel, u.v.m.) kommt es durch den kurzen Schädel oft zu einer Abknickung der Verbindung der Bulla mit dem Rachenraum, über die kontinuierlich die Flüssigkeit ablaufen kann, die von der inneren Gewebsauskleidung des Innenohres produziert wird. Dieses Sekret sammelt sich in der Bulla an und kann ebenso zu einer Beeinträchtigung der Schalleitung führen. Anders als die infektiöse Ohrentzündung ist diese „Primär sekretorische Otits media“ in der Regel aber nicht behandlungsbedürftig.
Was ist die Ursache einer angeborenen Taubheit?
Die Ursachen der angeborenen Taubheit liegen früh in der embryonalen Entwicklung. Um diese Prozesse zu verstehen muss man wissen, dass in der Cochlea unterhalb der Tektorialmembran bestimmte Zellen angesiedelt sind, die den Umbau von Schall in elektrische Informationen erst ermöglichen, indem sie die Grundlage für eine elektrische Reizung der Haarzellen aufbauen. Strom kann nur entstehen, wenn in der Flüssigkeit innerhalb der Cochlea genügend Kalium vorliegt
Die Zellen, die Kaliumionen in die Flüssigkeit pumpen bilden die sogenannte Stria vascularis. Sie sind mit den Zellen verwandt, die auch die Haut dunkel färben (Melanozyten) und entstehen aus gemeinsamen Vorläuferzellen. Werden diese in der Entwicklung des Embryos nicht angelegt, oder können nicht ihren Platz im Innenohr erreichen, kommt es zu einer Taubheit, die durch ein nicht funktionsfähiges Corti-Organ hervorgerufen wird. Man spricht von einer Schallempfindungsstörung, da die Schallweiterleitung bis zum Innenohr normal funktioniert, die ankommenden akustischen Signale aber nicht in ein elektrisches Signal umgesetzt werden können (sensorische Hörstörung oder sensori-neuralen Taubheit).
Da ein Defekt der Melanozytenvorläuferzellen für die Erkrankung verantwortlich ist, tritt sie dementsprechend oft bei Tieren mit weißem Fell und blauen Augen (Birkauge) auf, wie zum Beispiel bei Tieren, die das Piebald-Gen besitzen wie der Dalmatiner oder der Bull Terrier. Ein weiteres Gen, das mit Taubheit assoziiert ist, ist der so genannte Merle-Faktor, der eine Graublau bis rosastichige Fellfarbe hervorruft, wie er beim Bobtail, harlekinfarbene Doggen, Shelties und andere Rassen zu finden ist.
Wie diagnostiziert man einen Hörverlust oder eine Hörbeeinträchtigung?
Da man die Hunde und Katzen nicht fragen kann, ob sie einen Ton hören, muss man auf ein elektrodiagnostisches Verfahren zurückgreifen. Hierzu wird über Ohrhörer ein Ton in das Ohr eingespielt und über Elektroden die Veränderung der Spannung zwischen dem Innenohr und dem Gehirnanteil gemessen, der für das Hören verantwortlich ist. Man verfolgt auf diese Weise den Fluss des elektrischen Stroms, die durch die Schallwellen ausgelöst werden durch das Gehirn. Diese Messmethode wird als evoziertes Hirnstammpotential bezeichnet, auf Englisch auch „brainstem auditory evoked respone“, kurz „BAER“. Die offizielle Bezeichnung im Deutschen lautet „funktionell auditorisch evoziertes Potenzial“, kurz FAEP oder AEP.
Um Störungen der Messung zu vermeiden und das Anbringen der Nadelelektroden zu ermöglichen, muss das Tier für die Untersuchung in eine Kurznarkose.
Was kann man bei einer Taubheit therapeutisch tun?
Bei Schalleitungstaubheiten wird die Ursache beseitigt. Dazu muss in einer Operation die Bulla eröffnet, und die enthaltene flüssigen, oder eitrigen Inhalte entfernt werden. Bei einer Altersschwerhörigkeit oder einer angeborenen Taubheit besteht keine Möglichkeit die Hörfähigkeit zu verbessern oder wiederherzustellen. Hörgeräte für den Hund sind bisher nicht erhältlich. Cochlea-Implantate, die die Funktion des Innenohres ersetzen sollen, werden beim Hund nicht eingesetzt, was sich nicht zuletzt durch die immensen Kosten erklärt (ca. 50.000€).
Muss ich meinen Hund einschläfern, wenn er vollständig Taub ist?
Die Euthanasie tauber Hunde ist nach dem Tierschutzgesetz verboten und erfüllt in einem solchen Fall den Tatbestand einer Straftat. Taube Hunde können mit ein wenig Management und Hilfsmitteln ein ganz normales und glückliches Leben führen. Das Züchten von tauben Hunden ist allerdings verboten.