Veröffentlichungen • Gießener Vollwert-Ernährungs-Studie Teil II: Einfluß der Kostform auf den Eisen-, Zink- und Kupferstatus
Ulrike Heins
Dissertation, Gießen 2001
Zusammenfassung
Die Vollwert-Ernährung ist eine überwiegend lakto-vegetabile Ernährungsform mit einem hohen Anteil unerhitzter Frischkost. Sie ist durch eine hohe Dichte fast aller Vitamine und Mineralstoffe gekennzeichnet und dürfte aus präventivmedizinischer Sicht von großem Nutzen für die Gesundheit sein. Fleisch und Fisch werden, wenn überhaupt, nur in geringen Mengen verzehrt. Diese Lebensmittelgruppe stellt bei einer in den Industrieländern üblichen Kost jedoch eine wichtige Quelle für die Nährstoffe Eisen, Zink und Kupfer dar.
Es stellt sich die Frage, ob die Vollwert-Ernährung auch in Zeiten des erhöhten Bedarfs, wie der Schwangerschaft, die Versorgung mit den Spurenelementen Eisen, Zink und Kupfer, die für das Wachstum und die Entwicklung des Feten von großer Bedeutung sind, gewährleisten kann.
In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, ob die Kostform einen Einfluß auf den Status von Eisen, Zink und Kupfer schwangerer Frauen ausübt, ob sich die Kostgruppen hinsichtlich der Häufigkeit von Mangel an Eisen, Zink und Kupfer in der Schwangerschaft unterscheiden, ob mögliche Interaktionen zwischen den Spurenelementen Eisen, Zink und Kupfer bei der Kostzusammenstellung schwangerer Frauen beachtet werden müssen und ob die Einnahme von Essigwasser die Versorgung schwangerer Frauen verbessert. Abschließend wird die Frage beantwortet, ob die Empfehlungen für die Vollwert-Ernährung im Hinblick auf den Status von Eisen, Zink und Kupfer für schwangere Frauen modifiziert werden müssen.
Die hierfür durchgeführte Studie wurde als prospektive longitudinale Kohortenstudie angelegt, in der sowohl ein Fragebogen, ein Ernährungsprotokoll sowie ein Schwangerschaftstagebuch als Instrumente eingesetzt wurden. In die Studie wurden Frauen, die mindestens zwei Jahre Vollwert-Ernährung praktizieren (VWK, n = 76) und Frauen, die sich etwa gemäß dem Bundesdurchschnitt ernähren (Kontrollgruppe/control group = CG, n = 43), als Teilnehmerinnen aufgenommen. Die VWK wurden in Ovo-Lakto-Vegetarierinnen (OLV, n = 30) und Nicht-Vegetarierinnen (NVEG, n = 46) unterteilt. Zur Erfassung des Lebensmittelverzehrs und der Nährstoffaufahme wurde in jedem Schwangerschaftstrimenon (9. – 12., 20. – 22. und 36. – 38. Schwangerschaftswoche) ein geschlossenes 4-Tage-Ernährungsprotokoll geführt. Als Grundlage der Nährwertberechnungen diente der Bundeslebensmittelschlüssel BLS Version II.2 (BGVV 1996). Das Ernährungsprotokoll wurde jeweils von einer Blutentnahme begleitet.
Der Lebensmittelverzehr der VWK unterscheidet sich (definitionsgemäß) gegenüber der CG besonders durch einen geringeren Anteil von Fleisch und Wurstwaren sowie einen höheren Anteil von Vollkornprodukten, Gemüse und Obst. VWK nehmen mit durchschnittlich 16,4 mg/d mehr Nahrungseisen auf als die CG mit 14,6 mg/d. Die Zinkzufuhr (12,5 mg/d) von VWK und der CG unterscheiden sich nicht statistisch signifikant. Vollwert-Ernährung weist jedoch eine höhere Nährstoffdichte für Zink auf als die Kost der CG (p<0,0001). VWK nehmen statistisch signifikant mehr Kupfer aus der Nahrung auf als die CG (2,5 vs. 2,3 mg/d; p<0,0001).
Alle analysierten Parameter werden statistisch signifikant durch das Trimenon beeinflußt. Serum-Eisen, Ferritin, Serum-Zink, Zink in den Haaren und Serumkupfer sinken im Schwangerschaftsverlauf; Transferrin, Zinkprotoporphyrin und Caeruloplasmin steigen im Schwangerschaftsverlauf.
Anhand der Varianzanalyse konnte gezeigt werden, daß sich alle Parameter des Eisenstatus von VWK und der CG unterscheiden. Die Konzentrationen von Eisen und Ferritin im Serum der VWK liegen unter denen der CG (p jeweils < 0,0001), die Konzentrationen von Transferrin im Serum (p<0,0001) und ZPP in den Erythrozyten (p=0,019) liegen über denen der CG. Auch die Parameter des Blutbildes Hb, Hk und MCV von VWK und der CG unterscheiden sich statistisch signifikant. Die Eisenspeicher von VWK und der CG aber auch von OLV und NVEG unterscheiden sich bereits im 1. Schwangerschaftsdrittel. Die Eisenspeicher sind am Ende der Schwangerschaft für alle Gruppen erschöpft. Eine langjährig praktizierte Vollwert-Ernährung wirkt sich nachteilig auf den Eisenstatus in der Schwangerschaft aus. Das Risiko für eine Eisenmangelanämie ist jedoch nicht erhöht.
Es ist ein statistisch signifikanter Einfluß der Eisenzufuhr aus der Gesamtheit von Lebensmitteln und Supplementen auf die Konzentration von Ferritin im Serum zu verzeichnen. Weiterhin besteht ein statistisch signifikanter Einfluß der Eisenzufuhr aus Lebensmitteln tierischer Herkunft auf alle Parameter des Eisenstatus.
Die Konzentrationen von Serumzink und Alkalischer Phosphatase weisen keine Gruppenunterschiede auf. Die Haarzinkkonzentrationen von VWK liegen über denen der CG (p=0,001). Es konnte kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen den Parametern des Zinkstatus und der Nährstoffzufuhr gefunden werden. Die Körpergewichtszunahme der Mutter in der Schwangerschaft sowie das Geburtsgewicht des Kindes korrelieren positiv mit der logarithmierten Haarzinkkonzentration (p=0,033 und p=0,007).
Es konnten Interaktionen zwischen den Eisen-, Zink- und Kupferhaushalten aufgezeigt werden. Da die Versorgung mit den untersuchten Nährstoffen jedoch als ausreichend zu bezeichnen ist, müssen die Interaktionen nicht in Empfehlungen zur Ernährung in der Schwangerschaft einfließen.
An einem gesonderten Kollektiv konnte gezeigt werden, daß das Trinken von Essigwasser den Eisenstatus verbessern kann. Liegt in der Schwangerschaft bereits eine Eisenmangelsituation vor, dann reicht die alleinige Einnahme von Essigwasser jedoch nicht aus, um dem weiter wachsenden Bedarf an Eisen gerecht zu werden
Die bestehenden Empfehlungen zur Vollwert-Ernährung können bezüglich des Eisen-, Zink- und Kupferstatus auch für schwangere Frauen übernommen werden. Da VWK jedoch geringere Eisenspeicher aufweisen als die CG, OLV wiederum geringere Speicher als NVEG, und im voraus nicht bekannt ist, wieviel Blut bei der Geburt verloren wird, sollte der nicht vegetarischen Variante der Vollwert-Ernährung der Vorzug gegeben werden und/oder schon vor Einsetzen einer Mangelsituation, zu Beginn oder eventuell schon vor der Schwangerschaft, die Einnahme von Essigwasser zu den Mahlzeiten empfohlen werden.