Ernährungskommunikation auf TikTok
In seiner Masterarbeit hat Roman Obermayr 54 TikTok-Video untersucht, um Orientierungspunkte der Ernährungskommunikation auf TikTok zu ermitteln. Dabei hat er bei der Analyse sowohl die Inhalte als auch produktionsbezogene Aspekte berücksichtigt. Aus der Abschlussarbeit ist ein Beitrag für die Ernährungs Umschau entstanden, der mit dem Oktoberheft 2022 erschienen ist.
Nicht der Inhalt, sondern das Aussehen zählt!
So scheint es zumindest auf den ersten Blick, wenn die „Für Dich“-Seite von TikTok auf dem Smartphone erscheint. TikTok wird daher häufig Oberflächlichkeit und wenig Tiefgang aufgrund der meist sehr kurzen Videos vorgeworfen.
Die 14 Orientierungspunkte ernährungsbezogener Kommunikation in TikTok-Videos
„Zeit ist Geld!“ Dieses Sprichwort trifft auf TikTok in besonderer Weise zu. Das spiegelt sich allein schon im Plattformnamen „TikTok“ wider, welcher vergleichbar mit dem Ticken einer Uhr ist. Zwar sind Aufnahmen bis zu drei Minuten Länge möglich, dennoch überschreiten die wenigsten Videos eine Spielzeit von 60 Sekunden. Beim Essen wird vor allem die Schnelligkeit der Speisenzubereitung in den Vordergrund gestellt. Ein wichtiger Effekt der Zeitbegrenzung ist die Tendenz der VideoproduzentInnen, den Inhalt so kurz wie möglich zu präsentieren. Aufgrund der Zeitbeschränkung wird ebenfalls die Ausgewogenheit der Speisen beschränkt, so dass abwechslungsreichere Speisen mit Gemüse oder Obst eher selten zu finden sind. Anstelle der Gesundheit tritt der Genusswert im Referenzsystem der TikTok-VideoproduzentInnen in den Vordergrund. Der Genussmoment wird unterstrichen durch gefühlsbetonte Videoszenen, die durch entspechende Tonspuren noch verstärkt werden. Musik wird auf TikTok gezielt für die Lenkung von Stimmungen genutzt. Im übertragenen Sinne verleiht die musikalische Untermalung dem Ernährungshandeln auf TikTok die gewisse „Würze“.
Die meisten Videos strahlen eine fröhliche Grundstimmung aus. Leidenschaft, Lustigkeit, Spaß, Aufregung und Genuss stehen im Zentrum der ernährungsbezogenen Videos. Entgegen dem Sprichwort „Mit Essen spielt man nicht!“ zeigt das Ernährungshandeln auf TikTok, dass auch der Spieldrang ein wesentlicher Motivationsgeber für die Auseinandersetzung mit Lebensmitteln ist. Die zahlreichen spielerischen Elemente bewirken, dass vielen Videosequenzen eine gewisse Komik innewohnt. Das erstreckt sich über alle in der Stichprobe identifizierten drei Videogenres („Dokumentation“, „Food Comedy“, „Schnappschuss“), wobei „Food Comedy“ am meisten betroffen ist.
Der Erfolg unkonventioneller Videoclips auf TikTok unterstreicht die Neuartigkeit der Plattform. Die außergewöhnlichen Videoinhalte (z.B. Befüllung einer Brotzeitbox) und deren hohe Like-Zahlen suggerieren, dass TikTok die Möglichkeit bietet, mit jeder Art von Videoaufzeichnungen Berühmtheit erlangen zu können. VideoproduzentInnen auf TikTok präsentieren Ausschnitte, die weniger geschönt wirken. Das weicht von den üblichen Social-Media-Praktiken ab, in denen die Prestigefunktion der Veröffentlichungen im Vordergrund steht. Die Arbeit, die viele bereit sind in ernährungsbezogene Videos zu investieren, steht in Kontrast zu der geringen Videospieldauer und der Wahrscheinlichkeit, tatsächlich damit berühmt zu werden. Obwohl die Professionalität mancher Videos nahelegt, dass mehrere Menschen an der Produktion beteiligt waren, wird in den meisten der untersuchten ernährungsbezogenen Fälle nur eine Person gezeigt. Das Fehlen weiterer Personen beschreibt das Zubereiten und Verspeisen von Lebensmitteln als einen selbstbezogenen Akt. Eine gemeinsame Mahlzeit mit Familie und FreundInnen wird dagegen selten gezeigt. Gemeinschaft äußert sich in der videobasierten Kommunikation der TikTok-Mitglieder v.a. durch Nachahmung von anderen TikTok-VideoproduzentInnen, denen sie sich zugehörig fühlen.
Fazit
TikTok stellt aufgrund seiner Eigenlogik ganz spezielle Anforderungen an die Ernährungskommunikation. In Anbetracht der Bedeutung Sozialer Medien für das Gesundheits- und Ernährungshandeln speziell junger Bevölkerungsschichten und dem rapiden Mitgliederzuwachs von TikTok ist eine genauere Betrachtung von TikTok für die Ernährungskommunikationsforschung relevant. Die Masterarbeit von Roman Obermayr liefert einen ersten Überblick über die Ernährungskommunikation auf TikTok und bietet eine Grundlage für weitere Forschungsarbeiten in diesem Bereich.
Aus den Ergebnissen der Abschlussarbeit ist ein Artikel für die Ernährungs Umschau entstanden, der in der Oktober-Ausgabe 2022 veröffentlicht wurde. Zu dem Beitrag geht es hier: https://www.ernaehrungs-umschau.de/print-artikel/12-10-2022-ernaehrungskommunikation-auf-tiktok/
Zitation:
- Obermayr, R., Yildiz, J. & Godemann, J. (2022). Ernährungskommunikation auf TikTok. Ernährungs Umschau, 69(10), M546-M557.