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Atom- und Molekülphysik

Die Arbeitsgruppe Atom- und Molekülphysik an der Justus-Liebig-Universität Gießen beschäftigt sich unter der Leitung von apl. Prof. Dr. Stefan Schippers mit der Physik atomarer Stoßprozesse. Dabei geht es sowohl um grundlegende Fragen der atomaren und molekularen Struktur und Stoßdynamik als auch um Anwendungen der Atomphysik in der Atom- und Molekülspektroskopie sowie der Astro- und Plasmaphysik. Die Arbeitsgruppe experimentiert mit geladenen Teilchenstrahlen (Elektronen, hochgeladene atomare Ionen, Molekül- und Clusterionen) an hauseigenen Apparaturen, an den Ionenspeicherringen bei FAIR/GSI, am Ionenspeicherring CSR des Heidelberger MPI für Kernphysik sowie an der Synchrotronstrahlungsquelle PETRA III bei DESY und betreibt Entwicklungsarbeiten an Elektronen- und Ionenquellen sowie an Teilchendetektoren. Die Arbeitsgruppe ist eingebunden in die folgenden Kollaborationen und Forschungsverbünde:

  • Experimente mit Elektronen und Ionen an Schwerionenspeicherringen

Im Rahmen SPARC-Kollaboration untersucht die Arbeitsgruppe Elektron-Ion-Rekombinationsprozesse an den Schwerionenspeicherringen ESR und CRYRING bei FAIR/GSI, wo an den Elektronenkühlern der Speicherringe insbesondere resonante Rekombinationsprozesse höchstgeladener Ionen mit höchster Auflösung untersucht werden können. Diese sogenannte Elektronenstoßspektroskopie, mit der auch kurzlebige Radioisotope vermessen werden können, ist sensitiv auf nukleare, relativistische und QED-Effekte in hochgeladenen Ionen und erlaubt sogar die Messung von Lebensdauern atomarer Zustände, bei denen sich andere Methoden wie die optische Spektroskopie nicht einsetzen lassen. Derzeit baut die Arbeitsgruppe am CRYRING ein transversales Elektronentarget auf, mit dem die Sensitivität der Methode erheblich gesteigert werden soll. Diese Aktvität wird derzeit im Rahmen des ErUM-FSP APPA vom BMBF gefördert. Die Arbeitsgruppe ist auch an Experimenten am neuen kryogenen Speicherring CSR des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik beteiligt, der ein extremes Ultrahochvakuum bei Temperaturen von unter 10 K bereitstellt und so sehr lange Ionenspeicherzeiten für neuartige Experimente ermöglicht.

 

  •  Untersuchungen kleiner Quantensysteme mit intensiver Röntgenstrahlung

Für die quantitative Untersuchung der Wechselwirkungen weicher Röntgenstrahlung mit Ionen nutzt die Arbeitsgruppe die Ionenstrahlapparatur PIPE (Photon-Ion-Spektrometer bei PETRA III, Abbildung oben), die im Rahmen der BMBF-Verbundforschung unter Gießener Federführung  bei DESY in Hamburg als permanente Installation am Strahlrohr P04 der Synchrotronstrahlungsquelle PETRA III aufgebaut wurde. Das Forschungsprogramm umfasst detaillierte Untersuchungen von Vielteilcheneffekten bei der Photoanregung und Photoionisation positiver und negativer atomarer Ionen, die Präzisisonsspektroskopie von Photoionisationsresonanzen, die Messung absoluter Photoionisationsquerschnitte für astrophysikalische Anwendungen sowie die Photofragmentation von Molekül- und Clusterionenionen.

 

  • Gekreuzte Strahlen von Elektronen und Ionen

Die Arbeitsgruppe betreibt im eigenen Labor eine Elektron-Ion-Stoßapparatur, in der ein Ionenstrahl mit einem intensiven Elektronenstrahl aus einer in Gießen entwickelten Hochstromkanone (nebenstehende Abbildung) gekreuzt wird. Eine spezielles Messverfahren ermöglicht dabei die präzise Bestimmung absoluter Reaktionsquerschnitte. In jüngster Zeit wurden u.a. Wirkungsquerschnitte für die Elektronenstoßionisation mehrfach geladener Xenon-, Zinn- und Wolframionen detailliert vermessen. Die gewonnen atomaren Daten sind wichtig für das Verständnis von plasmabasierten Lichtquellen für die EUV-Lithographie oder von Plasmen in Fusionsreaktoren wie z.B. ITER, in denen Wolfram als Wandmaterial eingesetzt wird.

 

  • Erzeugung und Bereitstellung von Ionenstrahlen

Für die Entwicklung von Ionenquellen und zur Vorbereitung auswärtiger Experimente steht im Hause ein Ionenquellenteststand zur Verfügung, an dem die Zusammensetzung der extrahierten Ionen mittels Separation nach dem Masse-zu-Ladungsverhältnis in einem doppeltfokussierenden Dipolmagneten ermittelt werden kann. Zur Erzeugung von Ionenstrahlen stehen verschiedene Typen von Ionenquellen bereit. Mehrfach geladene atomare Ionen, z.B. Xe25+, lassen sich in einer 10-GHZ-Elektron-Zyklotron-Resonanz-(EZR)-Ionenquelle erzeugen. Dieser Ionenquellentyp wird auch für die Produktion von (endohedralen) Fullerenionen eingesetzt. Weiterhin verfügt die Arbeitsgruppe über Cs-Sputter-, Kristallemitter-, Penning-, Duoplasmatron- und Elektrospray-Ionenquellen. Der Ionenquellenteststand kann auch für die Bestrahlung von beispielsweise Festkörperproben oder zur Massenspektrometrie des Ausstoßes von Ionentriebwerken verwendet werden.