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Intertextualität

 

Alfred Andersch benutzt intertextuelle Verweise nicht nur, um auf ihn inspirierende Autoren und Stilrichtungen Bezug zu nehmen – an dieser Stelle seien Thomas Mann und der italienische Neorealismus zu erwähnen - , sondern auch zur Charakterisierung seiner Protagonistin Franziska. Die Überarbeitungen in Anderschs Manuskript zum Roman verändern auch die Literaturauswahl der Protagonistin. Liest Franziska im Manuskript zunächst noch Angus Wilsons „Anglo-Saxens Attitudes“, greift sie in der Schlussfassung zu Faulkners „Wild Palms“.


                      

 


Während im ersten Werk das Leben und die Krisen eines männlichen Protagonisten geschildert werden, wählt Andersch mit Wild Palms ein Werk, das Parallelen zu Franziskas eigener Lage zeigt. So handelt es sich in diesem Roman ebenfalls um eine Protagonistin, die in ihrer Ehe unzufrieden ist und sich dazu entscheidet, ihren Mann zu verlassen. Auch sie wird schwanger.

Die folgende und erneut später eingefügte Reflexion Franziskas über den Roman zeigt, dass sie das Werk wertschätzt, während ihr Mann Herbert es „unangenehm“ fand. Deutlich wird, wie Andersch sowohl die Intertextualität als auch Franziskas innere Monologe dazu benutzt, die Beziehung zwischen Franziska und Herbert zu charakterisieren. Dadurch werden der Kontrast und das gegenseitige Unverständnis der Figuren aufgezeigt.

 

Zudem nutzt Andersch intertextuelle Verweise, um auf Italien und italienische Literatur als Bedeutungsträger zu verweisen. So erzählt Fabio Crepaz in einer längeren Passage Michelangelo Antonionis Film Il grido / Der Schrei (1957) – ein Meisterwerk des italienischen Neorealismus – unter dem Titel Das Meer in freier Variation nach.

 

 Der Film wird dabei als Symbol und Handlungsträger benutzt, um Fabios Innenleben verstehen zu können. Il grido handelt von dem Protagonisten Aldo, der sich von seiner Frau Irma trennt, trotz mehrerer Affären jedoch nie aufhört, sie zu lieben und sich schließlich vor ihren Augen von einem Turm stürzt. Für Fabio ist Aldo eine Kontrastfigur, da er selbst nicht genau beziffern kann, was Liebe ist. Vor allem kann er nicht nachvollziehen, wie weit jemand von seinen Leidenschaften getrieben sein muss, um sich selbst umzubringen.

 

Auch Franziska hat besagten Film gesehen und war, im Gegensatz zu ihrem Ehemann, von diesem begeistert. Dies zeigt zum Einen erneut den Kontrast zwischen den Figuren Franziska und ihrem Mann Herbert. Zum Anderen wird aber auch die Verbundenheit der Figuren Franziska und Fabio deutlich. Andersch benutzt intertextuelle Verweise somit auch, um seine Figurenkonstellation zu verdeutlichen. Intertextualität ist damit eines der zentralen Stilmittel Anderschs.

 


Primärliteratur:

Andersch, Alfred: Die Rote. Zürich: Diogenes 1972.