Tagungs-, Ausstellungs- und Buchprojekte (abgeschlossen)
- Space Oddities. Die homerische Irrfahrt in Bildkünsten und Populärkultur vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. (Interdisziplinäre Tagung auf Schloss Rauischholzhausen, 4. - 6. April 2019; Organisation zusammen mit Katrin Dolle, M.A., Institut für Altertumswissenschaften, Abteilung Klassische Philologie; Sammelband erscheint voraussichtlich 2020/21)
Homer schuf mit Ilias und Odyssee zwei Epen, die ältere Heroengesänge aus der Zeit griechischer Migration und Kolonisation vereinten, ausgestalteten und schriftlich fixierten und die griechische Bildung, Wissenschaft, Kultur und Ethik prägten wie kein anderes Werk der Antike. Die unbestimmte Fahrt des in der Odyssee zunächst namenlos bleibenden Mannes, der als Niemand scheitert und reüssiert, die anachronistische Erzählweise sowie die markanten Schlüsselelemente (Irrfahrt und Heimkehr, Heimat und Faszination des Fremden, Liebe und Sehnsucht, Versuchung und Gattentreue, göttliche Fügung und eigene Hamartie, List und Duldsamkeit) machen den Text zu einem bis in die Gegenwart aktuell gebliebenen Stoff.
Gerade in der heutigen Zeit einer gesteigerten Mobilität in der von Migrationsbewegungen geprägten globalisierten Welt, der Suche nach dem stets Neuen, aber auch nach Spiritualität und Heimat, erscheint Homers Odyssee als ein gleichsam zeitloses, für unterschiedliche Bereiche adaptierbares Konstrukt. Odysseus wird in Allegoresen gedeutet oder auf ein Charakteristikum reduziert, sodass sein Name schließlich selbst als Synonym für die Irrfahrt steht. Der Mythos wird transformiert oder modernisiert, und – spätestens seit dem 19. Jahrhundert – verstärkt auch in die Komik transponiert.
Die Rezeption der Odyssee ist in der Forschung – insbesondere seitens der Literatur – mehrfach aufgearbeitet worden, einen interdisziplinären, gleichermaßen literatur- und bildwissenschaftlichen Ansatz hat aber keiner der vorliegenden Forschungsbeiträge. An dieser Stelle setzt die Tagung an, indem sie einen weitreichenden Überblick über die Rezeption des Sujets in den unterschiedlichsten Gattungen (Malerei, Theater, Film, Performancekunst, Textillustration und Comic-Kultur) aus verschiedenen kulturellen Kontexten von Europa bis Nord- und Südamerika liefert. Es gilt, diachrone Veränderungen und Gemeinsamkeiten wie auch synchrone Parallelen aufzuspüren und die geistes- und kulturgeschichtlichen Bedingungen für das Aufgreifen dieses Sujets zu untersuchen.
Mit einer Keynote Lecture von Prof. Dr. Henry Keazor (Heidelberg) zum Thema Eine (echte) Odyssee im Weltraum. Die italo-britische Science-Fiction-Serie "Space: 1999" (1975 – 1977) am 4. April 2019, 19 Uhr. Gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung und die Gießener Hochschulgesellschaft. Weitere Infos siehe www.uni-giessen.de/space-oddities.
- Der Künstler als Augenöffner und Seher? Yongbo Zhaos Grenzgang zwischen europäischen und chinesischen Bildkulturen (Buchprojekt mit Studierenden, seit März 2016, im Mai 2018 publiziert):
Aktuell und virulent sind die Themen Migration und Transkulturalität, aber auch die Diskurse um Global Art History und Multiple Modernities. In diesem größeren Kontext verortet sich die mit Studierenden der Universität des Saarlandes realisierte Studie über die motivisch dichten und beziehungsreichen Gemälde und Radierungen des aus der Mandschurei stammenden Künstlers Yongbo Zhao (*1964).
Der während der chinesischen Kulturrevolution aufgewachsene und 1991 nach Deutschland migrierte Maler und Grafiker spielt in seinem Œuvre mit unterschiedlichen Sehgewohnheiten und bedient sich gleichermaßen der Motive und Bildstrategien aus dem chinesischen und europäischen Kulturkreis. Mit Erfindungsreichtum und Witz drängt es ihn – neben Reflexionen über seine eigenen kulturellen Wurzeln – gesellschaftliche Wechselwirkungen und politische Missstände bildlich aufzuzeigen. Er versteht sich als eine Art Augenöffner und Seher, der wie ein Seismograf scharfsichtig und doch voller komödiantischem Übermut der Menschheit einen Spiegel vorhält.
Der Sammelband leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis dieses zeitgenössischen chinesischen Künstlers, dessen Werk bislang nur ansatzweise und ohne eine systematische Sichtung der in seinem Œuvre wirksamen Motivkomplexe erschlossen wurde. In ihren Beiträgen widmen sich die Autorinnen und Autoren dem titelgebenden ‚Grenzgang‘ zwischen chinesischen und europäischen Bildkulturen, der daraus resultierenden hybriden Bildsprache, den Strategien dieser transkulturellen Politsatiren sowie dem Selbstverständnis des in Bayern heimisch gewordenen Künstlers.
Herausgegeben zusammen mit Jennifer Jäger (Masterabsolventin der Universität des Saarlandes, derzeit Doktorandin an der JLU Gießen). Geleitwort von Prof. Dr. hc. Shan Fan. Der Druck wurde von der Galerie KK Klaus Kiefer sowie von Prof. Dr. Dr. hc. Heinrich Wefelscheid und der Diercks-von-Zweck-Stiftung in Essen gefördert.
- Die klassischen Götter auf Abwegen. Launige Götterbilder in den italienischen und nordalpinen Bildkünsten der Frühen Neuzeit (Dissertation im Sommer 2014 an der LMU München abgeschlossen, im März 2016 publiziert):
Die frühneuzeitliche Rezeption klassischer Mythen in Text und Bild beförderte nicht nur eine Vielzahl von Deutungsmustern und Bildtraditionen, sondern provozierte zugleich bildliche und literarische Gegenreaktionen in Form neuartiger und komischer Mythenadaptionen. Der Witz dieser ikonographischen Verfremdungen hinterfragt sowohl die durch den Mythos vermittelten Sinngehalte als auch die aus der Antike herstammenden Verfahren der Mythenallegorese sowie die den antiken Vorbildern zugemessene Autorität. Die Studie kontextualisiert erstmals 'launig' Götter-Bilder aus der italienischen und nordalpinen Profanmalerei und Druckgraphik im Rahmen größerer Motivkomplexe sowie dichtungs- und kunsttheoretischer Diskurse.
Das Forschungsprojekt wurde im Rahmen des SFB 573, kunsthistorisches Teilprojekt B2: Formen und Funktionen des Bildes in der Frühen Neuzeit – novità: Verwandlung des Alten – Hervorbringung des Neuen am Institut für Kunstgeschichte der LMU München realisiert. Gedruckt mit einem Druckkostenzuschuss des SFB 573.
- Herzvereinung von König und Konnetabel – Das monument du cœur des Anne de Montmorency in der Pariser Cölestinerkirche als monumentaler Loyalitätsbeweis (Magisterarbeit im Frühjahr 2007 an der Universität Hamburg abgeschlossen, 2010 publiziert):
Das Herz des Konnetabels Anne de Montmorency (gest. 1567) wurde in einer Gruft vor dem Hauptaltar der ehemaligen Pariser Cölestinerkirche beigesetzt, in der bereits jenes Heinrichs II. von Frankreich (gest. 1549) ruhte. Später errichtete die Witwe Madeleine de Savoie ihrem Gatten in der Chapelle d’Orléans ein aufgrund seiner exzessiven Herzsymbolik singuläres monument du coeur. Im Kern der Grabmalskonzeption steht der seit karolingischer Zeit auf das Verhältnis von König und Gefolgsmann übertragbare aristotelische Freundschaftsbegriff. Der Aufsatz stellt die konzeptionelle Nähe der beiden benachbarten Herzmonumente von König und Konnetabel anschaulich heraus und untersucht die verschiedenen (freundschafts)ikonographischen, grabmalstypologischen und historischen Kontexte.
- Bestattungskultur im Kirchspiel St. Michaelis (Ausstelltungsprojekt, Realisierung seit 2009, im September 2015 feierliche Eröffnung):
Der Inventarisierung und erstmaligen wissenschaftlichen Erschließung der Großkrypta unter der Hauptkirche St. Michaelis folgte eine probeweise Eröffnung und archäologische Dokumentation zahlreicher Grabstätten durch den Archäologen Dr. Andreas Ströbl und die Anthropologin / Historikerin Dana Vick M.A (Forschungsstelle Gruft).
Im Auftrage der Stiftung St. Michaelis wurden die Ergebnisse der kunsthistorischen und archäologischen Aufarbeitung schließlich in eine Sektion der Ausstellung "Michaelitica" in der Unterkirche der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis überführt.
- Pompöser Leichenzug zur schlichten Grabstätte – Die vergessenen Toten im Gruftgewölbe der Hamburger Sankt-Michaelis-Kirche 1762-1813 (Forschungsvorhaben im Frühjahr 2004 abgeschlossen, 2006 publiziert):
Unter dem Hamburger Hauptkirche St. Michaelis, dem Wahrzeichen der Hansestadt, verbirgt sich ein singuläres Grabgewölbe des Spätbarock. Von 1762 bis zum Bestattungsverbot durch die französischen Besatzer 1813 wurden hier mehrere Tausend Tote bestattet. Die größtenteils pompösen Leichenzüge waren streng protokollarisch geregelt – die Grabstätten jedoch sind im Sinne der Aufklärung egalitär gestaltet.
Das Forschungs- und Buchprojekt "Pompöser Leichenzug zur schlichten Grabstätte" untersuchte erstmals die einzigartige Grabanlage der Hamburger St.-Michaelis-Kirche. Beurteilt werden die Geschichte und bauliche Gesamtphänomenologie ausgehend von einer Inventarisierung der insgesamt 268 Grabstätten. Die Untersuchung enthält Transkripte von unveröffentlichten Grabbriefen und ein Register sämtlich unter dem Michel bestatteten Persönlichkeiten. Grabkammern erwarben neben den bereits bekannten Gräbern von Carl Philipp Emanuel Bach und Johann Mattheson viele wohlhabende Bürger der Hamburger Oberschicht sowie Zünfte, Laienbruderschaften und Sterbekassen für ihre Mitglieder.
Die Arbeit wurde anlässlich des 100-jährigen Jahrestags des Turmbrandes am 3. Juli 2006 publiziert und durch die Stiftung Denkmalpflege Hamburg, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Kleio-Stiftung zur Erhaltung von Kulturwerten, die Gesellschaft Harmonie von 1789, die Edmund-Siemers-Stiftung und das Großhamburger Bestattungsinstitut gefördert.