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Heimatkonzepte – Transgenerationale Erinnerungsbilder von Flucht, Vertreibung und Integration in Hessen

Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst finanziert bis Ende 2026 den Schwerpunktbereich Historische Erinnerung und kulturelles Erbe – Vertriebene und Spätaussiedler in Hessen nach 1945 als Kooperationsprojekt zwischen dem Herder-Institut für Historische Ostmitteleuropaforschung in Marburg und der Justus-Liebig-Universität Gießen. An der Professur für Zeitgeschichte der JLU ist ein Teilprojekt angesiedelt, in dem das öffentliche und das private Erinnern an die Zwangsaussiedlungen, an die Ankunft und die Integration in Hessen nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Mittelpunkt stehen.

Das Projekt wird sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sich die regionale Geschichte von Vertriebenen und Spätaussiedlern in Hessen nach 1945 an die Debatten und Fragen der deutschen Zeitgeschichtsforschung zu Migration, Erinnerungskultur und „Aufarbeitung der Vergangenheit“ anschließen lässt. Die Erinnerung an „Flucht und Vertreibung“ gab mehrfach Anlass zu heiß geführten Kontroversen. Der Diskurs wurde (und wird) in der Bundesrepublik von Vertreterinnen und Vertretern der Vertriebenen und Spätaussiedler, dem Bund der Vertriebenen sowie den verschiedenen Landsmannschaften geprägt und aufrechterhalten. In den Hintergrund gerieten dabei allerdings oft die historischen Ursachen für die Migrationsbewegung, zentrale Fragen nach möglichen Kontinuitäten zwischen NS-Zeit und junger Bundesrepublik oder die Kritik bestimmter Konstruktionen von nationaler Identität und Zugehörigkeit. Die offene Diskussion darüber, wer wie wann warum und mit welchen Folgen welche Geschichte schreibt, erscheint damit im Kontext kritischer historischer Forschung zu „Flucht und Vertreibung“ besonders dringlich.

Nora Theml nähert sich der Erinnerung an das „Ankommen“ in Hessen und den Nachwirkungen von Fluchterfahrung mit Hilfe der mündlichen Überlieferung. Nach der Methode der Oral History spricht sie mit Geflüchteten und deren Nachkommen, um dynamische Prozesse der Erinnerungsbildung nachzuvollziehen. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie „Heimat“ in den Familien über Generationen hinweg verhandelt wird. Dabei spielen generationelle Konflikte oder das Betonen und Verschweigen bestimmter Aspekte der Vergangenheit in der Tradierung von Geschichte eine zentrale Rolle. So wird ein wichtiger Teil einer Erinnerungskultur abseits der Öffentlichkeit und politischer Organisationen erschlossen, der die Lebensrealität und Weltsicht vieler Hessinnen und Hessen über Jahrzehnte hinweg mitbestimmte.

Das heutige Hessen nahm in den Nachkriegsjahren fast eine Million Geflüchtete aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten auf. Sie prägten Stadtarchitektur, Wirtschaftsstrukturen und kulturelles Leben in vielen Dörfern und Städten. Eine regionale Besonderheit stellt der „Hessenplan“ dar, der oft als Beispiel für die gelungene Integration von Hunderttausenden Geflüchteten im neu geschaffenen Bundesland angeführt wurde. So bleibt für die hessische Geschichte das Hinterfragen noch immer wirkungsmächtiger Fortschrittserzählungen von erfolgreicher demokratischer Aufbauleistung nach einer angeblichen „Stunde Null“ grundlegend. 

 

Beteiligte Personen:

 

Weiterführende Informationen zum Schwerpunktbereich und dessen Teilprojekten:

 

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