DFG-Projekt: Die 'Rhetorica ad Alexandrum' und ihre zeithistorische Verortung
Förderzeitraum 2023-2026 – Fördersumme 208.150 Euro
Ziel des Projekts ist, erstmals eine systematische zeithistorische Erschließung der Rhetorica ad Alexandrum, des ersten erhaltenen praxisorientierten rhetorischen Lehrbuchs aus dem Athen des 4. Jh. v.Chr., zu leisten. Die herausragende Bedeutung dieses – zwar philologisch vergleichsweise gut untersuchten, unter historischen Gesichtspunkten aber bis heute nur sporadisch gewürdigten – Textes resultiert nicht allein aus seiner Anwendungsorientierung, die in der Forschung übereinstimmend konstatiert wird. Hinzu kommt – und dies wurde bislang nicht gesehen –, dass er über die athenische oratorische Praxis hinausgreift und seine Erkundung so zu verhelfen vermag, die Athen-Fokussierung der bisherigen Rhetorik-Forschung ein Stück weit zu überwinden und zu einer Erweiterung der Perspektive zu gelangen. Das meint freilich nicht, dass sich auf seiner Grundlage die öffentliche Rhetorik in einer bestimmten Stadt im Detail rekonstruieren und der Verlust etwaiger dort abgefasster Reden kompensieren ließe. Trotz einiger konkreter Hinweise auf einzelne Poleis bietet auch er hierzu nicht genügend valide Daten. Allerdings liefert er wichtige Anhaltspunkte für die Instruktion unterschiedlich beheimateter künftiger Redner, über die wir ansonsten – abgesehen von einigen Äußerungen bei Isokrates, die bei jenem aber durch sein spezifisches Programm einer breit angelegten paideia überlagert werden – jenseits von Athen kaum zeitgenössische Informationen haben. Um der lokalen Heterogenität und entsprechenden Erwartungen seines Adressatenkreises adäquat begegnen zu können, rekurriert er auf diverse Wissens- und Erfahrungsbestände unterschiedlicher Provenienz, die sich teils aus der rhetorischen Empirie und mannigfachen Genres des theoretisch-rhetorischen Schrifttums seiner Zeit speisen, teils aber auch durch das politische Denken oder ethische Debatten geprägt sind. Einige davon sind für uns neu – so Teile seiner Überlegungen zur Tätigkeit von Rhetoren in oligarchisch organisierten Städten; andere sind wohlbekannt und von der Forschung schon hinlänglich identifiziert und zugeordnet. Markant und bislang nicht hinreichend beachtet ist hingegen die Art und Weise, wie Anaximenes jene Informationen unterschiedlicher Couleur zusammenführt, sie verknüpft und auf die vielfältigen Bedarfe der oratorischen Anwendung ‚herunterbricht‘. Dieses Desiderat will das geplante Projekt beheben. Anders als in älteren Studien oft geschehen, ist dabei nicht intendiert, seine Aussagen als ‚unoriginell‘ oder wenig elaboriert zu monieren, sondern sie im Hinblick auf ihre praktisch-rhetorische Fokussierung hin zu erkunden.
Zur Erreichung der Zielsetzung wird das Projekt drei Module erarbeiten: erstens einen zeithistorischen Kommentar, der die soeben explizierte Fragestellung umsetzt (Modul A), zweitens drei weiterführende separate Studien (Aufsätze), die ausgehend von den Spezifika der Schrift grundsätzliche und zugleich innovative, historisch orientierte Fragen zur antiken Rhetorik erörtern (Modul B) sowie drittens eine deutsche Neuübersetzung des Textes, die gerade in Hinsicht auf ihre Terminologie dem aktuellen Stand der historischen Forschung entspricht (Modul C).