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Körperteilvotive

 

Die anatomischen Votive der Sammlung Stieda


Der Stifter – Ludwig Stieda (1837–1918)
Ludwig Stieda wurde als Sohn eines Kaufmanns in Riga geboren. Er studierte Medizin und gewann bereits während seines Studiums verschiedene Auszeichnungen u.a. für anatomische Arbeiten. Nach seiner Promotion 1861 vertiefte er seine Kenntnisse in Gießen, Wien und Erlangen und lehrte dann in Dorpat (heute Tartu) das Fach Anatomie. 1885 wurde er Ordinarius und Direktor für das anatomische Institut in Königsberg. 1912 kehrte er nach Gießen zurück, wo er schließlich 1918 an seinem 81. Geburtstag verstarb. Seine Freundschaft zu dem Gießener Altphilologen Prof. Alfred Körte war dafür ausschlaggebend, dass er 1899 nach Italien reiste, um etruskische Votive zu studieren. Er erstand in Isola Farnese zahlreiche anatomische Votive, die er im Jahr 1913 der Gießener Antikensammlung stiftete. Ursprünglich umfasste die Sammlung etwa 60 Objekte, von denen einige nach dem zweiten Weltkrieg verloren gingen. Erhalten sind etwa 40 Stücke, von denen eine repräsentative Auswahl in der Dauerausstellung gezeigt wird.

 

Der Fundort

Die etruskische Stadt Veji liegt etwa 15 km nordwestlich von Rom beim modernen Ort Isola Farnese, auf einem Plateau. Früheste Funde deuten auf eine erste spätbronzezeitliche Besiedlung bei Isola Farnese. Die Stadt Veji selbst weist erste Siedlungsfunde in der sogenannten Villanova-Zeit (9./8. Jh. v. Chr.) auf. Ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. gelangte die Stadt, vor allem durch die Salzgewinnung, zu großem Reichtum. Sie besaß mehrere öffentliche Gebäude, Tempel und Heiligtumsbezirke. Die andauernden Auseinandersetzungen mit Rom, und schließlich 396 v.Chr. die Niederlage gegen die Römer, besiegelten das Ende der ersten italischen Hochkultur. Die archäologischen Funde belegen jedoch, dass das Gebiet bis in hellenistische Zeit besiedelt war. Die Körperteilvotive stammen aus einem geschlossenen Fundkomplex im Bereich des Heiligtums (aus dem Depot Pendici die Piazza d’Armi) und datieren in das Ende des 4. bis Mitte des 3. Jh. v. Chr., einzelne Stücke gehören ins 2. Jh. v.Chr.

 

 

Die Votive

Der Bestand umfasst neben figürlichen Darstellungen, die als Wickelkinder gedeutet werden, eine Vielzahl von Körperteilen wie Köpfe, Extremitäten, Augen, Ohren oder männliche Geschlechtsorgane und innere Organe. Einige dieser inneren Organe lassen sich mit einiger Wahrscheinlichkeit identifizieren, wie etwa eine Gebärmutter, andere bereiten größere Schwierigkeiten oder sind ganz verschieden gedeutet worden. So wurden andere, stärker stilisierte Objekte sowohl als Herzen gedeutet als auch als Opfergebäck interpretiert. Eine Besonderheit sind die Eingeweidetafeln, die die inneren Organe im Verbund zeigen und teilweise bekleidete Torsi, die durch eine Öffnung einen fensterartigen Einblick ins Körperinnere gewähren. In der Forschung wurde verschiedentlich diskutiert, welche Funktion solche Weihegaben hatten, die sich in vergleichbarer Form auch in anderen Regionen, von Gallien über Griechenland bis nach Zypern finden. Die Deutungen reichen von der Bitte um Wohlergehen und Genesung des Weihegebers und seiner Familie bis zum Dank an die Gottheit für eine erwiesene Gunst. Anders als früher angenommen liefern die Objekte jedoch keine Hinweise auf krankhafte Veränderungen der Körperteile.