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Die Klassifizierung der Welt

Universitäres Sammeln im kolonialen Kontext

Zur Ausstellung:

Die Sonderausstellung, die vom 01.09. – 16.10.2022 im Palmenhaus des Botanischen Gartens zu sehen sein wird, beleuchtet Exponate aus den Sammlungen der Justus-Liebig-Universität Gießen, die im Zuge von universitären Aktivitäten in kolonialen Kontexten bzw. durch kolonial inspirierte Sammlungsaktivitäten ihren Weg an die Universität Gießen fanden. Im Fokus stehen dabei vier Themensektionen, die unterschiedliche Sammlungsbestände der Universität im 19. und frühen 20. Jahrhundert beleuchten.

 

 

 

 

 

Die Antikensammlung:

Im frühen 20. Jahrhundert fanden Objekte von verschiedenen Grabungsexpeditionen ihren Weg in die Antikensammlung, die ihren Bestand vor allem unter Lehrsammlungsaspekten erheblich erweiterte. So gelangten auch Funde aus dem unter britischer Kontrolle stehenden Ägypten und aus dem vom deutschen Kaiserreich wirtschaftlich abhängigen osmanischen Reich nach Gießen, darunter auch die kaiserliche Schenkung von Funden aus Heinrich Schliemanns Troja-Grabungen.

 

 

Der Botanische Garten:

Der Direktor des Botanischen Gartens, Adolf Hansen, und sein Gartenbauinspektor Friedrich Rehnelt reisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Sri Lanka, in die damalige britische Kolonie Ceylon, um Pflanzen und Samen in großen Mengen nach Gießen zu transferieren. Die „Ausbeute“ lässt sich heute noch im Hansen-Rehnelt-Herbarium und in Bildaufnahmen rekonstruieren.

 

Die Sondersammlungen der Universitätsbibliothek:

Die Provenienz der singhalesischen Palmblatthandschriften der Universitätsbibliothek aus Sri Lanka ist bis zu den Schenkern nachvollziehbar. Die Objekte verdeutlichen, wie diese kulturellen Zeugnisse von Privatpersonen im späten 19. Jahrhundert teils als Souvenirs erworben wurden, ohne sie inhaltlich einordnen zu können.

 

 

Sektion Linguistik:

Im Rahmen der Kolonisierung trafen mit den Kulturen auch Sprachen aufeinander. Die Sektion beschäftigt sich mit dem Pidgin-English als Verkehrssprache in deutschen Kolonien und seinem Verhältnis zum Deutschen. Daneben wird auch die Instrumentalisierung von Sprache zur Konstruktion einer weißen Überlegenheit als Legitimation der Kolonisierung untersucht.

 

Die Ausstellung bildet zugleich den Auftakt zu einer Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit an der Justus-Liebig-Universität, und knüpft an die derzeitige Debatte über den Umgang mit dem europäischen Kolonialismus an, die momentan in Deutschland und in den Nachbarländern in vollem Gange ist. Die Museen und auch die universitären Sammlungen enthalten Objekte, die aus der Zeit des Hochimperialismus und den zu der Zeit bestehenden Kolonien stammen. Zunehmend wird deshalb gefragt, woher die Sammlungsgegenstände kommen, und die Provenienz der Dinge erforscht, so derzeit auch im Oberhessischen Museum (aktuelle Ausstellung: „Zwischen Sammelwut und Forschungsdrang. Koloniale Kontexte in Gießen“ vom 06.05.2022–15.01.2023 im Alten Schloss).

Die Ausstellungsidee entstand unter den Mitgliedern der Justus-Liebig-Universität in der vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst angestoßenen und geförderten und durch die Konferenz Hessischer Universitätspräsidien gebildeten Kommission „Koloniales Erbe in Hessen“, welche die wissenschaftliche Expertise der hessischen Universitäten zur Thematik bündelt.

Das Ausstellungsteam besteht aus Prof. Dr. Bettina Brockmeyer (Historisches Institut), Dr. Joachim Hendel (Universitätsarchiv Gießen), Prof. Dr. Magnus Huber (Institut für Anglistik), Prof. Dr. Katharina Lorenz (Professur für Klassische Archäologie), Dr. Olaf Schneider (Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Gießen), Dr. Michaela Stark (Kustodin der Antikensammlung der JLU), Dr. Alissa Theiß (JLU-Sammlungskoordination), Lutz Trautmann M. A. (Universitätsarchiv Gießen) und Prof. Dr. Volker Wissemann (Professur für Spezielle Botanik).