Die Schattenseite der R2P: Zurück zu einem "Humanitären" Interventionismus autoritärer Staaten?
Bearbeiter*in: Dr. phil. Alexander Reichwein
Laufzeit: seit 2015
Kurzbeschreibung:
Das Forschungsprojekt “Das Bürgermeister*innenamt im Kontext von Multi-Level Governance“ nimmt die Frühe Debatten um die Internationale Schutzverantwortung kreisten entweder um den (vermeintlichen) Gegensatz „Norm versus (bloße) politische Rhetorik“ oder thematisierten im Policy-Bereich Probleme und Herausforderungen der Implementierung der Schutzverantwortung. Daran an schlossen kritische Debatten über die vermeintliche Instrumentalisierung der R2P für eine selektive Interventionspolitik der westlichen Demokratien. Der Vorwurf des „hegemonialen Projektes“ machte spätestens nach der Libyen-Intervention (2011) die Runde im akademischen und politischen Diskurs. Aktuelle Debatten kreisen vor dem Hintergrund der Annahme linearer (Normenkaskaden) oder zirkulärer (Normspiralen) Normentwicklungen um Normenstreit (norm contestation) auf nationaler, internationaler und transnationaler Ebene und entsprechenden Diskursen und Handlungskontexten. Die seit einigen Jahren beobachtbare Tendenz, dass sich zunehmend auch autokratische und autoritäre Staaten wie China, Russland, die Türkei, Iran, Saudi-Arabien oder Qatar auf die R2P beziehen, um ihre „humanitären“ Interventionen in Süd-Ossetien, Abschasien oder der Krim, in Syrien oder im Jemen (die diversen Motiven geschuldet sind) zu rechtfertigen, gibt Anlass, die Architektur der Schutzverantwortung kritisch zu reflektieren: (1) Greift der in der konstruktivistisch-normativ und liberal-kosmopolitisch inspirierten Forschung angenommene Nexus Demokratie-Menschenrechtsschutz zu kurz? (2) Warum ist es auch für Nicht-Demokratien attraktiv und rational, sich unter bestimmten Bedingungen als Normunternehmer zu verhalten und sich nicht nur temporär, sondern grundsätzlich auf die R2P zu beziehen (und diese zu zweckinstrumentalisieren)? (3) Sollte man von nicht intendierten Folgen der R2P oder kann man eher von einem sehr anschaulichen Fall einer nicht linearen Normevolution sprechen, das einmal mehr das komplexe Verhältnis zwischen der R2P und anderen Normen und Prinzipien in der internationalen Politik (staatliche Souveränität, nationale Selbstbestimmung und Minderheitenschutz, Irredentismus und Nationalismus) offenlegt? Durch eine - realistisch inspirierte – kritische Bestandsaufnahme der R2P können mehrere Wege identifiziert werden, wie die Norm herausgefordert aber auch bestätigt wird - oftmals beides zusammen.
Weitere Informationen: https://www.uni-giessen.de/fbz/fb03/institute/ifp/personen/reichwein/forschung