Call for Papers
Zukünfte (in) der politischen Bildung
12.-14.06.2025, Justus-Liebig-Universität Gießen
Zukünfte sind kontingent und offen. In demokratischen und pluralen Gesellschaften sind sie notwendigerweise öffentlich umstritten. Sie sind gesellschaftlich und individuell verbunden mit Optimismus, Zukunftsungewissheit und Risiko (Beck 1986). Sie erzeugen Emotionen wie Hoffnung, Angst oder Sorgen und können Transformationen anregen. Hingegen machen Pseudogefühle (Rosenberg 2016, Fromm 1941) andere für die eigene Lage verantwortlich. Die Abwertung vulnerabler Gruppen ist mit einem antidemokratischen und autoritären Potenzial verbunden (Zick et al. 2023, Decker et al. 2022). Zukünfte ermöglichen damit gleichermaßen Fortschritt und Regression (Jaeggi 2023), aber auch Stagnation und Konservierung des Status Quo.
In der politischen Bildung werden Zukünfte zunehmend adressiert und diskutiert (z.B. Eicker/Eis et al. 2020; Friedrichs 2024; Bap/Journal für politische Bildung 2024; Tagung des Forums kritische politische Bildung 2025). Zukünfte werden mit multiplen Krisenphänomenen – z.B. als „Polykrise“ (DVPW-Kongress 2024) oder „Vielfachkrise“ (Demirović et al. 2011) bezeichnet – in Verbindung gebracht. Zukünfte spielen in der politischen Bildung eine mehrfache Rolle: Inhaltsfelder, Gegenstände und zentrale Fragestellung politischer Bildung – wie wollen wir zusammenleben und welche Konflikte und Probleme müssen wir bewältigen? – können von Zukunftsvorstellungen und Fragen ihrer Gestaltung nicht losgelöst werden. Auch sind sie mit gesellschaftlichen, nationalen und globalen, Konflikten um vorliegende Entwürfe – beispielsweise bezüglich der Zukunft des Planeten, der Ökonomie und Sorge, der Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhalts sowie mit entsprechenden Krisen- und Zukunftsnarrativen – unmittelbar verbunden. Für die lernenden Subjekte sind solche Themen (lern)relevant, welche über die Orientierung in der Gegenwart und ihre Bewältigung hinaus auch zukunftsbedeutend für sie sind (Klafki 1985/2007). Krisenphänomene und Zukunftsungewissheit tangieren und belasten junge Menschen aber derzeit erheblich (BMFSFJ 2024; Schnetzer et al. 2024; Calmbach et al. 2024). Sie haben deutliche Auswirkungen auf ihre zukünftigen Lebensbedingungen, ihre Möglichkeiten individuell und politisch handlungsfähig zu werden und erfordern daher entsprechende Bildungs-, Lern- und Unterrichtsarrangements, welche Zukünfte adressieren.
Die GPJE-Jahrestagung widmet sich vor diesem Hintergrund der Relevanz von Zukünften (in) der politischen Bildung und soll einen Austausch über folgende Schwerpunktthemen ermöglichen:
SP1 (Interdisziplinäre) Erforschung von Zukünften
- Wie werden Zukünfte, entsprechende Diskurse und Vorstellungen etc., in der Forschung über politische Bildung derzeit adressiert? Wie werden sie zum Gegenstand von (fachdidaktischer) Forschung?
- Welche Anforderungen und Möglichkeiten ergeben sich für eine politikdidaktische Forschung über Zukünfte? Welche Ansatzpunkte gibt es hierfür bereits? Welche Anregungen können andere (Bezugs-)Disziplinen und (Fach-)Didaktiken für eine Zukunftsforschung in der politischen Bildung geben?
- Welche wissenschaftlichen Methoden sind zur Erforschung von Zukunftsdiskursen, -bildern, -vorstellungen, entsprechenden Bildungsprozessen u.v.m. geeignet?
SP2 Zukunftsbezogene Ziele und Inhalte politischer Bildung
- Welche konzeptionellen Anschlussstellen gibt es in der politischen Bildung, Politikdidaktik wie auch in benachbarten (Fach-)Didaktiken bereits für die Adressierung von Zukünften (z.B. Henkenborg 1999, Negt 1999, Weinbrenner 1992)? Wie müssten diese ggf. vor dem Hintergrund der gegenwärtigen multiplen Krisenphänomene aktualisiert werden?
- Welche Rolle spielen Ziele wie Emanzipation oder Mündigkeit in Zukunft – beispielsweise angesichts von Rufen nach Resilienz (Bröckling 2017) oder Nachhaltigkeit (Kaufmann 2024), Wehr- und Kriegstüchtigkeit oder einer Orientierung an Faktizität unter Bedingungen von Desinformation? Wie kann politische Bildung vor diesem Hintergrund Erinnerungsfähigkeit und utopisches Denken (Negt) fördern?
- Welche Inhalte sind besonders lernrelevant, wenn es um die Bearbeitung von Zukunftsfragen geht, und wie können sie begründet werden? Welche Zukünfte werden gesellschaftlich (kontrovers) diskutiert? Welche Ansatzpunkte ergeben sich daraus für die politische Bildung? Wie ist politische Bildung in der Vergangenheit mit Zukunftsfragen umgegangen?
- Welche Gesellschafts-/Zeitdiagnosen bieten geeignete inhaltliche Anschlussstellen, um Zukünfte in der politischen Bildung zu bearbeiten?
SP3 Zukunftsbezogene Formate, Methoden/Medien und Orte politischer Bildung
- Mit welchen Formaten, Methoden und Medien können Zukünfte in der politischen Bildung zum Gegenstand werden? Welche methodischen Zugänge sind für die Bearbeitung von Zukünften in Bildungsprozessen besonders geeignet? Welche empirische Forschung gibt es bereits zum Einsatz sowie zum Verlauf und zu Wirkungen von Zukunftswerkstätten, Szenariotechnik, Reallaboren o.ä.?
- Wie können Prozesse der Imagination und der Entwicklung von Plänen, Visionen, Träumen, Entwürfen, Utopien und von Visionen in Gang gesetzt und erforscht werden?
- Wie können gesellschaftlich (kontroverse) Adressierungen von Zukunft analysiert werden? Wie kann z.B. die vermeintliche Macht des Faktischen analysiert und ggf. als Erzählung dekonstruiert werden?
- Welche Zukünfte sind für die politische Bildung als Profession in der schulischen und außerschulischen politischen Jugend- und Erwachsenenbildung wie auch in sozialen Bewegungen zwischen finanzieller Marginalisierung, Ent-/Deprofessionalisierung, Umdeutung und Versuchen der Verhinderung bzw. des Abbaus politischer Bildung zu beschreiben? Welche Ansätze der Stärkung politischer Bildung gibt es? Auf welche historischen Erfahrungen kann politische Bildung als Disziplin dabei zurückblicken und woraus kann sie ggf. lernen?
SP4 Zukünfte aus der Perspektive von Kindern und Jugendlichen und im Hinblick auf die Professionalisierung von Lehrkräften sowie politischen Bildner*innen
- Welche Pläne, Zukunftsentwürfe/-bilder, Emotionen sowie Orientierungsbedarfe haben welche Jugendlichen angesichts eigener und gesellschaftlich kontingenter Zukünfte und was benötigen sie, um politisch handlungs- und interventionsfähig zu werden, an Demokratie teilzuhaben und diese weiterzuentwickeln?
- Wie können Prozesse der Subjektivierung angesichts oben beschriebener gesellschaftlicher Anrufungen und Rahmenbedingungen reflektiert, Selbst- und Fremdausschlüsse aus dem politischen Feld überwunden und die Attraktivität einfacher Weltdeutungen hinsichtlich der Gestaltung von Zukunft adressiert und dekonstruiert werden?
- Welche fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und pädagogischen Kompetenzen benötigen Lehrkräfte und politische Bildner*innen, um dem Orientierungsbedarf Lernender in Bezug auf die Gestaltung von Zukunft nachzukommen und sie entsprechend begleiten zu können?
Eine Beteiligung an der GPJE-Jahrestagung 2025 ist mit folgenden Beiträgen möglich:
- Vorträge (20 min) mit anschließender Diskussion zu einem der Schwerpunktthemen
- Workshops (90 min) zu einem der Schwerpunktthemen
- Poster zu einem aktuellen Qualifikations- bzw. Forschungsprojekt der politischen Bildung
Neben politikdidaktischen Beiträgen aus der Forschung und wissenschaftlich reflektierten Beiträgen aus der Praxis sind auch interdisziplinäre, themenorientierte Beiträge aus anderen Fachdidaktiken, den Erziehungs- und Sozialwissenschaften und anderen Disziplinen willkommen. Wir ermutigen zudem zur Einreichung von Beiträgen zu den Ergebnissen abgeschlossener Promotionsprojekte. Beiträge, die laufende Projekte präsentieren, sollten mindestens Zwischenergebnisse aufweisen.
Bitte reichen Sie Ihr Abstract im Umfang von 1.500 bis 2.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) sowie zusätzlich 5-8 Literaturangaben für einen Vortrag oder Workshop unter Angabe des Schwerpunktthemas auf Deutsch oder Englisch bis zum 31.01.2025 unter https://forms.office.com/e/StnmwEAhEc Das Abstract sollte folgende Informationen enthalten, die neben der thematischen Passung zu den Schwerpunkten als Kriterien der Begutachtung dienen: Arbeitstitel, Problem- und Fragestellung, Hinweise zum theoretischen/methodischen Zugang und Ergebnisse.
Für die Beteiligung an einer Poster-Präsentation reichen Sie bitte Titel und ein Abstract im Umfang von max. 1.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) sowie 3-5 Literaturangaben bis 28.02.2025 unter unter https://forms.office.com/e/StnmwEAhEc ein. Im Falle einer Annahme werden die Abstracts im Tagungsprogramm veröffentlicht.
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