Projektbeschreibung
Clara Zetkins pädagogisches und bildungspolitisches Wirken in der Sowjetunion
Clara Zetkin wird in der Rezeption primär als eine Vertreterin der proletarischen
Frauenbewegung wahrgenommen, während ihr pädagogisches und bildungspolitisches
Wirken eher randständig bleibt. Die vorhandenen Rezeptionen Zetkins bezüglich ihres
pädagogischen und bildungspolitischen Wirkens erfolgten vor allem in der DDR und der
Sowjetunion und sind durch eine einseitig verkürzte marxistische Interpretation sowie eine
Ausblendung reformpädagogischer Bezüge gekennzeichnet. Auch die Forschung nach 1989
und der damit verbundene neue Archivzugang hat diese Lücke nicht zu füllen vermocht.
Nach wie vor wird Zetkin primär als Frauenpolitikerin rezipiert und die neu zugänglichen
Quellen wurden bisher nur sehr vereinzelt dazu genutzt ihr pädagogisches Wirken einer Reinterpretation zu unterziehen. Weder vor noch nach 1989 war das Wirken Zetkins in der
Sowjetunion (ab 1921) Gegenstand einer vertiefenden Forschung. Dies ist vor allem aus
pädagogischer Perspektive ein wissenschaftliches Defizit, ergab sich doch für Zetkin mit dem
Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion erstmalig die Möglichkeit ihre pädagogischen
und bildungspolitischen Vorstellungen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Komintern in die
Praxis umzusetzen. Auch die ideologischen Vorbehalte gegenüber der Reformpädagogik
wurden in der Sowjetunion obsolet, so dass davon ausgegangen werden kann, dass auch
Zetkin von der reformpädagogisch inspirierten Veränderung des Bildungssystems der frühen
Sowjetunion beeinflusst wurde.
Im Projekt soll das pädagogische und bildungspolitische Wirken Zetkins in der Sowjetunion
untersucht werden. Dafür werden zwei Zugriffe gewählt: Zum einen wird auf Basis der im
„Russischen Staatsarchiv der sozialpolitischen Geschichte“ umfangreich vorhandenen
Quellen das pädagogische und bildungspolitische Wirken Zetkins im Rahmen der Komintern
rekonstruiert. Zum anderen sollen die Publikationen Zetkins daraufhin untersucht werden,
inwieweit es durch die Erfahrungen in der Sowjetunion zu veränderten pädagogischen oder
bildungspolitischen Positionen kam und inwieweit und wie sie neue Themen aufnahm (z.B.
Bildung von Minderheiten, Analphabetismus). Die Studie leistet einen Beitrag zum
Verständnis des Verhältnisses zwischen Arbeiterbewegung und Reformpädagogik sowie zur
Frauengeschichte.