Pressemitteilung: Ökonomische Auswirkungen einer Krise frühzeitig erkennen / Forschung Prof. Dr. Peter Winker
Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Peter Winker: „Texte von Webseiten sind ein schnell verfügbarer Ad-hoc-Indikator für die Auswirkungen von Krisen. Ihre Auswertung kann dabei helfen, präziser über finanzielle Hilfen zu entscheiden.“
Die pandemiebedingte Wirtschaftskrise ist einzigartig in ihrer Schnelligkeit und dem weltweiten Ausmaß. Auch, wenn aktuell die Corona-Inzidenzen in Deutschland abflachen und sich einige Branchen erholen, bleiben dennoch schwere wirtschaftliche Schäden. Prof. Dr. Peter Winker, Professor für Statistik und Ökonometrie an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) hat zusammen mit Kollegen erforscht, welche schnell verfügbaren Indikatoren dabei helfen können, individuellere Hilfsangebote an Unternehmen zu machen.
Drei Fragen an Prof. Dr. Peter Winker
Was war der Gegenstand Ihrer Forschung und wie sind Sie vorgegangen?
Meine Forschungskollegen vom ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim, vom Unternehmen istari.ai, das auf KI-basierte Analysen von Webseiten spezialisiert ist, und ich wollten wissen, wie sich die Corona-Pandemie auf Unternehmen auswirkt und wie dies möglichst frühzeitig erkennbar ist. Ein solcher Ansatz wiederum kann politischen Entscheiderinnen und Entscheidern dabei helfen, individuellere Hilfsangebote an Unternehmen zu machen.
Wir haben dafür verschiedene Methoden miteinander kombiniert. Im ersten Schritt haben wir direkt zu Beginn der Pandemie im März 2020 eine so genannte „Ad-Hoc Webbased Impact Analysis“ gemacht und dafür über eine Million Webseiten von Unternehmen in ganz Deutschland ausgewertet. Dabei haben wir gemessen, wie häufig Begriffe wie „Corona“, „COVID-19“, „geschlossen“, „eingeschränkt“ und ähnliche verwendet wurden und wie sich diese Häufigkeiten in einem Verlauf von 1,5 Monaten verändert haben. So konnten wir sehr schnell erste Muster erkennen, wie Unternehmen von aktuellen Corona-Regeln betroffen sind und wie sie darauf reagieren. In einem zweiten Schritt wurden diese Daten mit einer später durchgeführten Fragebogenerhebung bei 1.500 Unternehmen abgeglichen. Im dritten Schritt haben wir uns die Daten zur Kreditwürdigkeit von 870.000 Unternehmen in Deutschland daraufhin angeschaut, ob das Ausmaß der früh gemessenen Betroffenheit die spätere Zahlungsfähigkeit beeinflusst hat. Zusammengenommen lässt sich sagen, dass mit der sehr schnell durchgeführten Erhebung bereits ein guter Eindruck gewonnen werden konnte, welche ökonomischen Auswirkungen die Pandemie auf Unternehmen hat.
Was waren die Ergebnisse Ihrer Untersuchungen?
Während der Corona-Pandemie mussten Politikerinnen und Politiker schnelle Entscheidungen treffen, um Unternehmen finanziell zu unterstützen. Häufig wurden die Hilfen dabei pauschal vergeben und konnten dem individuellen Bedarf der Unternehmen nicht gerecht werden. Mit unserer Studie konnten wir zeigen, dass beispielsweise die Analyse von Webseiten es erlaubt, sehr früh Indikatoren zu gewinnen, um Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen passend auszurichten.
Inwiefern kann ihre Methode auch für andere Situationen angewendet werden?
Die Grundidee einer gezielten Analyse von Firmenwebseiten und deren Verknüpfung mit anderen Indikatoren lässts ich auf viele weitere Szenarien anwenden. Einige davon werden im Startup istari.ai bereits kommerziell umgesetzt. Im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojektes mit dem ZEW befassen wir uns beispielsweise aktuell mit der Identifikation von Innovationen auf Firmenebene. Natürlich gibt es auch im Kontext des Ukraine-Kriegs Fragen, die mit der vorgestellten Methodik adressiert werden könnten, beispielsweise im Hinblick auf bestehende Restriktionen durch fehlende Vorprodukte oder Rohstoffe.
Forschung
Der wissenschaftliche Artikel „An Integrated Data Framework for Policy Guidance in Times of Dynamic Economic Shocks” von Peter Winker, Julian Oliver Dörr, Jan Kinne, David Lenz und Georg Licht ist im Februar 2022 im Magazin PLOS ONE erschienen und steht hier zum Download bereit.