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Migration und Verteilungsmuster

Intra- und interspezifisch differierendes Zugverhalten von Seevögeln

Der Zug zwischen Brut- und Nichtbrutgebieten ist ein integraler Teil der Ökologie vieler Arten, insbesondere Vögel legen aufgrund ihrer Flugfähigkeit bei ihren Wanderbewegungen große Strecken zurück. Durch Klima- und Umweltveränderungen sind diese Arten deshalb besonders betroffen. Veränderungen an einzelnen Punkten ihrer Verbreitung (Überwinterungsgebiete, Verbreitungsgebiete im Sommer, Zug-/ Wanderrouten) können bereits massive Auswirkungen auf eine Art haben, aber auch die Akkumulation verschiedener Veränderungen an unterschiedlichen Orten stellt eine Gefahr für migrierende Arten dar. Um solche Arten effektiv schützen zu können ist es deshalb besonders wichtig, ihre Zugbewegungen, Verteilungsmuster, Lebens- und Jahreszyklen zu kennen.

 

Foto: Alexander Kondratyev

Im Rahmen einer Untersuchung1 von Eisenten (Clangula hyemalis), welche 2012 von der IUCN als gefährdet eingestuft wurden, wurde deshalb die raumzeitliche Verteilung und insbesondere die genaue Lage ihrer Überwinterungsgebiete erforscht. Daher wurden weibliche Eisenten in Kolguev für ein Jahr mit Geolokatoren ausgestattet. Hierbei zeigte sich unter anderem, dass die untersuchten Individuen bis zu 58% des Jahres in der Ostsee, ihrem Überwinterungsgebiet, verbringen. Diese Ergebnisse unterstreichen besonders die Wichtigkeit von Schutzmaßnahmen in der Ostsee, wo Eisenten beispielsweise als Beifang in Stellnetzen verenden können.1

Weibliche Eisenten kehren jedes Jahr zum Brüten in dasselbe Gebiet zurück. Eisentenpaare bilden sich jedes Jahr neu und männliche Eisenten folgen nach der Paarbildung in den Überwinterungsgebieten den Weibchen zum Brutgebiet. Daher können Männchen, anders als Weibchen, nicht gezielt wiedergefangen werden, um ihnen Geolokatoren für die Datenauswertung wieder abzunehmen. Aus diesem Grund ist die Datenlage zu Migrationsbewegungen von Eisentenmännchen sehr dünn. Um diese Lücke zu schließen, wurden männliche und weibliche Eisenten auf Kolgujew für eine Studie2 mit ARGOS-Satellitentransmittern ausgestattet, von welchen im Mittel 369 Tage Daten gewonnen wurden. Dabei zeigten sich insbesondere deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der Verbreitung während der Mauser, Weibchen blieben dafür überwiegend im Brutgebiet während Männchen große Strecken auf sich nahmen und im Bereich der nördlichen Jamal- und Gydan-Halbinseln mauserten. Die Ergebnisse bestätigten zudem die besondere Bedeutung der südlichen Ostsee als Überwinterungsgebiet.2

Neben dem Zielort von Migrationsbewegungen ist jedoch auch die zeitliche Koordination relevant. Gebiete mit einem großen Nahrungsangebot oder optimale Brutgebiete ziehen eine hohe Anzahl von Tieren verschiedenster Arten an. Sie sind deshalb Orte mit hoher intraspezifischer Konkurrenz. Um die Vermeidung solcher Konkurrenzsituationen durch ökologische Segregation mittels zeitlicher Unterschiede im Migrationsverhalten zu untersuchen, wurden für eine Studie3 drei Sturmvogelarten (Procellariidae) mit Geolokatoren ausgestattet. Dünnschnabel-Walvögel (auch: Belcher-Sturmvögel, Pachyptila belcheri), Blausturmvögel (Halobaena caerulea) und Taubensturmvögel (Pachyptila desolata) sind eng verwandte Arten, welche auf Inseln im südlichen Indischen Ozean brüten und eigneten sich deshalb besonders für diese Untersuchung. Es zeigten sich deutliche raumzeitliche Unterschiede zwischen den drei Arten während der frühen Brutsaison, wodurch Konkurrenz um Nahrung und Brutplätze vermieden wurde (Abb. 1).3 Dies deckt sich mit früheren Untersuchungen, die eine solche Segregation für den Überwinterungszeitraum nachwiesen. Der Vergleich mit Geodaten aus der Überwinterungszeit verdeutlichte zudem, dass Dünnschnabel-Walvögel und Blausturmvögel niche-tracking, die Wanderung zwischen Habitaten mit vergleichbaren Umweltbedingungen, zeigten. Taubensturmvögel betrieben hingegen niche-switching und migrierten somit zwischen Habitaten mit verschiedenen Umweltbedingungen.3

 

Abb. 1: Chronologie der frühen Brutsaison von Blausturmvögeln (Blue Petrels), Dünnschnabel-Walvögel (Thin-billed Prions) und Taubensturmvögeln (Antarctic Prions) vom Kerguelen-Archipel; die Größe der Kreise korreliert mit der Anzahl der Individuen, die in eine Phase eintreten oder sie beenden3

 

Quellen

1. Karwinkel T, Pollet IL, Vardeh S, Kruckenberg H, Glazov P, Loshchagina J, Kondratyev A, Merkel B, Bellebaum J, Quillfeldt P (2020): Year-round spatiotemporal distribution pattern of a threatened sea duck species breeding on Kolguev Island, south-eastern Barents Sea. BMC Ecology 20:31. DOI:https://doi.org/10.1186/s12898-020-00299-2. https://bmcecol.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12898-020-00299-2  

2. Quillfeldt P, Morkūnas J, Kruckenberg H, Kondratyev A, Loshchagina J, Aarvak T, Øien IJ, Bellebaum J, Glazov P. (2022) Year-round movements of Long-tailed Ducks Clangula hyemalis from Kolguev Island, Barents Sea. Polar Biology 45: 71-87. DOI:https://doi.org/10.1007/s00300-021-02973-7. https://link-springer-com.ezproxy.uni-giessen.de/article/10.1007/s00300-021-02973-7  

3. Quillfeldt P, Weimerskirch H, Delord K, Cherel Y (2020): Niche switching and leapfrog foraging: movement ecology of sympatric petrels during the early breeding season. Movement Ecology 8: 23. DOI:https://doi.org/10.1186/s40462-020-00212-y. https://movementecologyjournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/s40462-020-00212-y