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Gießener Allgemeine vom 14.12.2006

Warum der Nikolaus in Rot und Weiß auftritt

»Justus’ Kinderuni«: Prof. Athina Lexutt erklärte biblische Wurzeln und heutige Symbole für Advent und Weihnachten

Gießen (kw). »Es begab sich aber zu der Zeit ...« Warum Maria und Josef in Bethlehem im Stall landeten, wie die Hirten vom Feld und die Heiligen Drei Könige von Jesu Geburt dort erfuhren: Das steht in der Bibel, zum Beispiel im Lukasevangelium. Dort ist aber keineswegs die Rede davon, dass man jedes Jahr am Abend des 24. Dezember Geschenke unter einem Baum findet und dass es schon in den vier Wochen zuvor beim Licht von Adventskranzkerzen immer einmal wieder Plätzchen gibt. Wie all das zusammenhängt, erklärte die Theologin Prof. Athina Lexutt bei »Justus’ Kinderuni«. Rund 120 kleine und etliche erwachsene Zuhörer erfuhren zum Beispiel, warum der Weihnachtsmann Rot und Weiß trägt.

Die Kirchengeschichtlerin von der Justus-Liebig-Universität zeigt dazu ein etwa 100 Jahre altes amerikanisches Coca-Cola-Werbeplakat. Die Firma steckte für ihre Getränkereklame einen älteren Angestellten mit weißem Rauschebart in ein Winterkostüm in den Unternehmensfarben. Und der wurde zum klassischen »Santa Claus«. Diese Entzauberung wollen die Kinder nicht einfach so hinnehmen. »Rot ist doch auch die Farbe der Liebe«, erklärt ein Mädchen den Sinn der Farbe. Ein Junge erinnert die Referentin daran, dass sie selbst gerade von Äpfeln als klassischem Baumschmuck gesprochen hat: Ihr Rot sollte das Blut Christi bei der Kreuzigung symbolisieren, denn Ostern und Weihnachten hängen eng zusammen. In Wirklichkeit lebte Jesus natürlich viel länger als das halbe Jahr, das zwischen beiden Terminen liegt, stellt ein Zuhörer klar.

Lexutt lässt die Mitarbeiter in ihrer »theologischen Werkstatt« oft zu Wort kommen, etwa zur Beantwortung ihrer Leitfrage: »Wann genau ist Weihnachten?« Der 24. und der 25. Dezember ist im Angebot, aber auch der ganze Zeitraum vom 1. Dezember bis zum 6. Januar. Letzteres kommt der Wahrheit vielleicht am nächsten, erläutert die Expertin: Die Wartezeit auf das eigentliche Fest am 25. Dezember -- dieses Datum legte die Kirche erst 350 Jahre nach Christus fest -- kann man mitrechnen. Immerhin bekamen die Kinder früher ihre Geschenke bereits am 6. Dezember, und in den Niederlanden ist das bis heute so. Vor fast 400 Jahren fand Martin Luther, das Kind in der Krippe müsse mehr verehrt werden als der Bischof Nikolaus -- und sorgte dafür, dass die meisten Kinder heute drei Wochen später die Bescherung erleben.

Die meisten Symbole, die wir mit dem »Fest der Liebe« verbinden, haben mit der Bibel gar nichts zu tun. Sie sind erst viel später entstanden als die überlieferten Texte. Den Adventskranz etwa hat der Pfarrer Johann Hinrich Wichern im 19. Jahrhundert in seinem Hamburger Waisenhaus eingeführt. Kerzen stehen für das Licht, das mit der Wintersonnenwende auch am Himmel wieder länger zu sehen ist. Die Kugeln am Baum waren einst in Gold- oder Silberpapier eingewickelte Nüsse und Süßigkeiten. Und der Christbaum selbst stand einst als kleines »Paradiesbäumchen« in der Krippe. »Weihnachtsbaum« sagt Lexutt ungern: Dieses Wort hätten die Nazis eingeführt, um den christlichen Charakter des Fests zu verschleiern. Sie seien es auch gewesen, die biblische Motive im Adventskalender durch Märchenbilder ersetzt hätten.

Weihnachten, lautet die Bilanz, ist aber ohne christliche Werte kaum zu verstehen. Das Fest erinnere daran, dass Gott Mensch geworden sei, es weise hin auf Ostern, auf die Erlösung der Menschen. An jeden richte sich die Mahnung, »anderen Licht in ihre Dunkelheit zu bringen«. Und immer wenn man diese Botschaft verkünde und lebe, so Lexutt, sei Weihnachten nicht nur am 25. Dezember.

Den nächsten »Kinderuni«-Vortrag hält am Dienstag, 23. Januar, Prof. Katja Becker. Die Ärztin beantwortet die Frage »Warum haben Kinder in Afrika oft Fieber?« Damit geht die Reihe für Acht- bis Zwölfjährige für dieses Wintersemester zu Ende.

In ihrer »theologischen Werkstatt« ließ Prof. Athina Lexutt ihre jungen Zuhörer im Philosophikum häufig selbst zu Wort kommen.