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Gießener Anzeiger vom 26.1.2007

[Zertifikate; Klicken zum Vergrößern]

Zertifikate (Bild: Franz Maywald)

Wo ein Sirup das Leben retten kann

Kindervorlesung an der JLU zum Thema Malaria -- Erfahrungsbericht eines Kenianers -- Freude über Abschluss-Zertifikate

GIESSEN (fm). Sichtlich stolz waren der achtjährige Jonas und sein gleichaltriger Freund Franz aus Gießen auf ihre Zertifikate mit der Unterschrift von Universitätspräsident Stefan Hormuth. Niedergeschlagen wirkte dagegen der um ein Jahr ältere Frederic, der die erste Kindervorlesung im laufenden Semester versäumt hatte und dem die beiden Uni-Azubis Annalena Mehl und Manuel Schweighöfer deshalb kein Abschluss-Zertifikat aushändigen konnten. Insgesamt haben im Wintersemester 2006/07 rund 60 der von 150 bis 300 Acht- bis Zwölfjährigen besuchten Einzelveranstaltungen an allen vier Kindervorlesungen teilgenommen, wofür sie zum Abschluss mit einem offiziellen Dokument belohnt wurden. Fast mit Händen zu greifen war das Gefühl von Erleichterung, als am Ende der vierten Veranstaltung alle Kinder stehend dem rhythmischen Händeklatschen von Boniface Mailu Mwongela folgten und zusammen mit ihm ein kenianisches Lied sangen. Dreimal wiederholten sie das aus der afrikanischen Sprache Swahili stammende "Hakuna Matata!" aus der Schlusszeile, was so viel heißt wie "Es gibt keine Probleme!" Ausgesprochen bedrückend hörte sich dagegen an, was Prof. Katja Becker -- seit September 2000 Lehrstuhlinhaberin für "Biochemie der Ernährung" an der Justus-Liebig-Universität (JLU) -- zuvor über eine der bedeutendsten Tropenkrankheiten der Welt, die Malaria, und die besondere Anfälligkeit afrikanischer Kinder zu sagen hatte. Von den weltweit auftretenden 500 Millionen Malaria-Fällen pro Jahr verlaufen laut Becker drei Millionen tödlich.

Im ersten Teil ihrer auf die lebhaften Nachwuchs-Studiosi abgestimmten Vorlesung "Warum haben Kinder in Afrika oft Fieber?" ging die Gießener Ernährungswissenschaftlerin, die in Heidelberg Medizin studiert hat, ausführlich auf die Fauna und Flora des "riesengroßen" Landes Afrika mit 53 Staaten, knapp 900 Millionen Menschen und mit mehr als 2000 Sprachen ein. Mit einer Folienpräsentation erläuterte der in Kenia geborene Boniface Mailu Mwongela, der als DAAD-Stipendiat zur Zeit bei Becker promoviert, die bekanntesten Zutaten afrikanischer Gerichte und die hauptsächlich aus Mais, Bohnen und Gemüse bestehende Grundnahrung mit exotischen Namen wie Githeri, Pilau oder Mukimo. Trotz wirtschaftlicher Reichtümer wie Kaffe, Baumwolle, Tropenhölzer, Gold- und Diamantminen, Bananen- und Kakaoplantagen, Erdöl und Erdgas sei Afrika "der ärmste Kontinent der Welt", betonte Becker. Vorherrschend seien Armut, Heimatlosigkeit und Krankheiten, Kriege, Flüchtlingslager und Vertreibungen. "Besonders die Lage der Kinder ist sehr schwer."

Detailliert ging sie auf den durch Stechmücken übertragenen Malariaerreger und seinen Lebenszyklus ein und nannte "ma-me-mi-mo-mu-Bedingungen" (Malariaparasiten, Menschen, Mindesttemperaturen, Moraste, Mücken) als optimale Entstehungsfaktoren. Dies gelte zum Beispiel für Nouna in Burkina Faso. Nach einer Würdigung der wissenschaftlichen Leistungen von Robert Koch, Paul Ehrlich und Emil von Behring stellte Becker Schutzmaßnahmen wie das Trockenlegen von Sümpfen, Moskitonetze, Mückenmittel und Medikamente vor. "Jede Impfung kommt zu spät, weil sich Malariaparasiten rasend schnell verändern." In einem packenden Erfahrungsbericht schilderte Boniface dem jungen Auditorium, wie er als Kind mit einem Malariaanfall ins 20 Kilometer entfernte Krankenhaus gebracht werden musste, wo ihm stark fiebersenkende Medikamente und eine Art Sirup das Leben retteten. "Seit dieser Zeit schläft meine ganze Familie unter einem Moskitonetz."