Kolloquium zur Medizin- und Wissenschaftsgeschichte: Revolutionäre Schocks: Die Beobachtung des menschlichen Geistes innerhalb der Société des observateurs de l'homme (1799-1804)

Revolutionäre Schocks:

Die Beobachtung des menschlichen Geistes innerhalb der Société des observateurs de l'homme (1799-1804)

Dr. de. Laurens Schlicht (Goethe-Universität Frankfurt)

Der menschliche Geist, die Seele oder die Vernunft waren für lange Zeit Forschungsgegenstände von reflektierenden Wissenschaften. Während des 18. Jahrhunderts mehrten sich jedoch die Forderungen, ihn nach dem Vorbild der Wissenschaften von den natürlichen Dingen zu einem Forschungsgegenstand von Beobachtungswissenschaften zu machen. Im Rahmen der Société des observateurs de l'homme (1799-1804, = Gesellschaft der Menschenbeobachter) wurden verschiedene Ansätze erprobt, wie eine solche Forschung aussehen könnte. Einerseits möchte der Vortrag einen Überblick über diese verschiedenen Ansätze bieten. Andererseits werde ich ein Thema ausführlicher betrachten: Vor allem im Rahmen der Französischen Revolution und ihrer Deutung bei Medizinern und Pädagogen wurde die Möglichkeit erprobt, durch intendierte „moralische“ Erschütterungen in der Beobachtung am Menschen Wissen über den menschlichen Geist zu erzeugen. Der Mediziner Jean Itard – ebenfalls Mitglied der Gesellschaft der Menschenbeobachter – wollte in diesem Sinn den „moralischen Menschen bis zur letzten Faser [....] erzittern“ lassen. Durch diese Erschütterung erhofften sich die Forscher Aufschlüsse über die zunehmend als „Geheimnis“ konzipierte innere Natur des menschlichen Geistes. Der Vortrag wird die Frage stellen, in welchem Umfeld diese epistemische Technik des Zugriffs auf den menschlichen Geist entstanden ist und wie sie sich in einer mittelfristigen Perspektive entwickelt hat.