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Texte 'Literatur als Welterschließung - Schreibatelier'

Weitere Texten aus dem Schreibatelier

Eine Sockentragödie

B: Blue
F: Froschgesicht
J: Jeany

B: Jedes mal triefend Nass! Und dann dieser unangenehme Durchzug. Gibt es hier im ganzen
Haus etwa keine Handtücher? Da muss man jedes mal Angst haben sich den Tod zu holen.

F: Beklag dich! Ein bisschen frische Luft nach einem heißen Bad hat noch niemandem geschadet.
Und dafür sich so richtig schön rein fühlen? Ist es mir wert.

B: Und dir wird nicht schlecht wenn du so durch die Gegend gewirbelt wirst?

F: Man gewöhnt sich dran. Ein bisschen die steifen Gelenke ausschütteln und die Wärme spüren.
Da fühlt man sich wie neu!

B: Oder halt so verknautscht wie du gerade..

F: Und dann haben wir hier immerhin ein bisschen Ruhe. Ständig darauf warten endlich wieder in
Bewegung zu kommen. Auch nach all der Zeit habe ich immer das Gefühl bereit sein zu müssen.

B: Du meinst ständig bereit sein zu müssen endlich nicht mehr in dem modrigen, überfüllten
Kabuff zu hocken und endlich frei und voller Bewegung durch die Welt zu stromern?

F: Jaja, ich weiss, du liebst es draußen zu sein. Komm du erst mal in mein alter! Wenn deine Haut
rau, dein Harr ausgeblichen und du das Gefühl hast, du löst dich langsam auf, dann freust du
dich, wenn du einfach nur mal deinen Körper ausstrecken und den Wind spüren kannst.

B: Wenn wenigsten Blau hier wäre.

F: Ihr seid doch immer beieinander. Wo ist Blau?

B: Ich weiß es doch niiicht… Wir wurden getrennt bei dem ganzen Chaos eben. Wir waren noch
nie getrennt. Seit dem ich denken kann ist Blau an meiner Seite. und jetzt, jetzt habe ich das
Gefühl einen Teil von mir selbst verloren zu haben. Selbst wenn wir nach einem steilen Anstieg
völlig durchschwitzt waren, Blau hat mich trotzdem in den Arm genommen. Oder es hat plötzlich
angefangen zu Strömen und wir waren durchnässt bis auf die letzte Faser, Blau hat mich trotzdem
immer zum lachen gebracht.


Mit Blau macht immer alles viel mehr spaß. Aber davon verstehst du ja nichts, Froschgesicht.
F: Achja? Wegen Pingu meinst du ich wäre immer ein Unikat gewesen? Nein, es gab immer auch
Froschchen. Wir waren unzertrennlich. Froschchen und Froschgesicht. Man hat uns geliebt. Wenn
wir da waren, fielen wir auf. Wir standen im Mittelpunkt. Aber das ist lange her, lange bevor du
vom ewigen Spinnrad in diese Welt gewebt wurdest.

B: Und dann, wo ist Froschchen jetzt?

F: Wie das Halt so ist, irgendwann verliert man sich halt aus den Augen. Irgendwann war
Froschchen plötzlich nicht mehr da. Und ich war am Boden zerstört. Nie wieder mehr wollte ich
etwas tragen, nie wieder mehr raus. Ich verkroch mich in der hintersten Ecke. Bis irgendwann
Pingu kam, auch auf der Suche nach einer ebenso dunklen Ecke um sich in der Schmach des
verlorenen Gegenüber zu verlieren. Wir mögen hier schon lange sein, hier und da wird sogar die
Haut dünn. Wir sind kein Paar, aber wenn eine Party ansteht kommen wir gemeinsam raus und
sind wieder wie frisch gewaschen.

B: Ich werde niemals ohne Blau leben können! Lieber verschwinde ich auch beim nächsten
großen Bad heimlich.

F: Blue, ich habe schon viele deiner Art kommen und gehen gesehen. Und meist blieb eine
einsam verlorene Seele zurück. Doch schau nach vorn, über den Rand deiner Schubladen hinaus.
Auch ein einsamer Strumpf kann immer noch eine bedeutende Sockenpuppe werden.

J: Hier sag mal ihr beiden, reicht jetzt langsam mal. Blau wurde einfach im zweiten Waschgang
mitgewaschen. Wird grad im Moment neben die schnatternden T-Shirts gehängt, armes Ding. Ihr
Socken macht euch immer so einen Kopf um euer Gegenstück…


von Adi Einecke

Entstanden im Rahmen des Seminars von Prof. Dr. Kirsten Von Hagen und Nirina Ralantaoritsimba zu 'Literatur als Welterschließung - Schreibatelier'