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Da versteht man sich, egal woher man kommt

Auftaktvorlesung in Justus' Kinderuni mit Prof. Dr. Albrecht Beutelspacher "Wozu braucht man Zahlen?"

[Prof. Dr. Beutelspacher in seiner Vorlesung; Zum Vergrößern klicken]

Prof. Dr. Beutelspacher in "Wozu braucht man Zahlen?"

Uno, due, tre, ..., dieci; one, two, three, ..., ten; un, deux, trois, ..., dix; en, to, tre, ..., ti; echad, steim, schalosch, ..., esser. Was soll das? Dumme Frage, keine Frage für schlaue Kinder! Ob auf Italienisch, Englisch, Französisch, Norwegisch oder Hebräisch -- in Windeseile waren ein Dutzend Sprachen ausgemacht, in denen einige der Nachwuchs-Studierenden bis zehn zählen konnten. So, als wär's das Selbstverständlichste auf der Welt. Alle im Saale hatten eigentlich schon kapiert, was der Professor weit vorn auf der Bühne kurz darauf noch ein wenig wissenschaftlicher ausformulierte: "Mathe ist eine universale Sprache. Da versteht man sich, egal, woher man kommt." Bereits in den ersten Minuten war der Funke übergesprungen. 500 Mädchen und Jungen tauchten mit Prof. Dr. Albrecht Beutelspacher ein in die spannende Welt der Zahlen und ließen sich mit Fingertricks verzaubern. "Wozu braucht man Zahlen?" lautete die Eingangsfrage am 31. Mai 2005 beim Start von Justus' Kinderuni. Einen gelungeneren Auftakt für die neue Vorlesungsreihe des Sommersemesters hätte der Mathematik-Professor und Leiter des Mathematikums nicht zelebrieren können.

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Alle Menschen zählen; das haben sie schon immer gemacht

Zunächst ließ es sich Uni-Präsident und Hausherr Prof. Dr. Stefan Hormuth nicht nehmen, seine jüngsten Studierenden persönlich zu begrüßen und ihnen "viel Erfolg beim Studium" zu wünschen. "Ich bin überwältigt", gestand er angesichts der Kindermassen in der proppenvollen Aula. "Ziel des Lernens an der Uni ist es, neugierig zu sein", rief er den Kindern zu und gab ihnen den Rat mit auf den Weg: "Lernt selbst Fragen zu stellen und zu tüfteln, um die Antwort zu kriegen". Dass auch der gute alte Justus Liebig dereinst sehr neugierig und wissbegierig gewesen war, ergänzte Dr. Jörg Klug (Anatomie) und stellte als Mitglied des Organisatorenteams in aller Kürze den Namensgeber von Universität und Kinderuni vor.

Lange ließ sich der wie Flitzebogen gespannte Nachwuchs jedoch nicht mehr auf die Folter spannen. Immerhin hatten sich viele Jung-Studenten schon eine kleine Ewigkeit vor Vorlesungsbeginn um 16.15 Uhr die Beine in den Bauch gestanden, ihren ersten Studierenden-Ausweis ergattert und dann die Schlacht um die besten Plätze geschlagen.

Jetzt endlich sollte es richtig losgehen. Die Münder mussten zugesperrt und die Hände geöffnet werden. Wenn man nämlich mit seinen Fingern richtig umzugehen weiß, klappt der Neuner-Trick schon binnen weniger Sekunden garantiert. Dies ließen sich auch die Jüngsten nicht zweimal zeigen und probierten ihn erfolgreich aus. Soviel Erfolg macht stolz. Kein Wunder, dass das Fingerrechnen von Anna, Maren, Laurenz, Florian, Michael und vielen anderen spontan zum Höhepunkt der Veranstaltung erklärt wurde. Dankbar für die Vorführung des Mathematikprofessors zeigte sich, ganz pragmatisch eingestellt, auch der achtjährige Dennis "Jetzt muss ich die Neuner-Reihe ja nicht mehr auswendig lernen. Die kann ich dann schon, wenn wir eine Mathearbeit schreiben." Die folgenden Tricks und Experimente -- zum Beispiel die mit den großen Zauberkästen -- waren zwar mindestens genauso imposant, aber noch nicht sofort für alle nachvollziehbar. Während die Jüngeren noch ratlos über Zahlenreihen grübelten, hatten die Älteren längst schon die Primzahlen als solche entlarvt und benannt.

Auch dies eine echte Herausforderung, der sich die Akteure der Kinderuni stellen: Die Professorinnen und Professoren müssen sich auf erhebliche Altersunterschiede und unterschiedliches Vorwissen in ihrem Auditorium einlassen. Sobald das stellenweise nicht gelingt, sind die kritischen Gasthörer gnadenlos und fällen ihr hartes Urteil "langweilig". Die Altersangaben -- in diesem Fall Kinder zwischen acht und zwölf Jahren -- können nur Richtwerte darstellen.

Beim Zählen dagegen spielen solche Unterschiede keinerlei Rolle. "Alle Menschen zählen, das haben sie schon immer gemacht", erklärte Prof. Beutelspacher. Dass vor rund 25.000 Jahren (kindlicher Kommentar: "Mensch, das is ja lange her!") auch schon gezählt wurde, lasse sich durch den Knochen eines Wolfes belegen, den man in Tschechien gefunden hatte. Viele Einkerbungen deuteten auf die erste Zahlendarstellung in Europa hin. Eine Nachbildung dieses Knochens soll übrigens in Kürze im Mathematikum zu sehen sein, versprach der Professor und Museumsleiter.

"Zahlen sind eine Brille für die Vergangenheit", erläuterte er weiter, um später zu ergänzen: "Zahlen sind auch ein Fernrohr, um in die Zukunft zu schauen". Ein Blick in den Sternenhimmel galt ihm als Beispiel.

Den Beweis, dass Zahlen überdies "eine Quelle für Spaß und Freude" sein können, hat Prof. Beutelspacher mit der Auftaktvorlesung der Kinderuni eindrucksvoll geführt. Wirklich tief enttäuscht zeigten sich eigentlich nur die zahlreichen Mütter und einige Väter, die in der Aula nicht erwünscht und lediglich in Ausnahmefällen am Rande geduldet waren. Fazit: Zwar ging es -- ganz wie an der "richtigen" Uni -- für den einen oder anderen doch etwas zu schnell, wie der Siebenjährige Max offen zugab. Die große Masse aber war sich einig: Es war "klasse", "super", "geil" (je nach Alter und Schuljargon).

Die Kinder wollen ihr erstes Studium auf jeden Fall fortsetzen. Justus' darf sich freuen auf ein baldiges Wiedersehen am 14. Juni 2005 im Großen Chemischen Hörsaal im Heinrich-Buff-Ring 54.