[Workshop] Kapitalismus und unsichere Positionen von Minderheiten. Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus durch die Brille materialistischer Kritik betrachtet
Der Workshop wird organisiert im Rahmen des Sonderforschungsbereiches "Dynamiken der Sicherheit", des Kolloquiums Politische Theorie und der GGS-Sektion "Menschenrechte und Demokratie".
- https://www.uni-giessen.de/de/fbz/fb03/institutefb03/ifp/ueber-uns/aktuelles/termine/wsinsecureminorities
- [Workshop] Kapitalismus und unsichere Positionen von Minderheiten. Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus durch die Brille materialistischer Kritik betrachtet
- 2024-11-04T00:00:00+01:00
- 2024-11-05T23:59:59+01:00
- Der Workshop wird organisiert im Rahmen des Sonderforschungsbereiches "Dynamiken der Sicherheit", des Kolloquiums Politische Theorie und der GGS-Sektion "Menschenrechte und Demokratie".
04.11.2024 bis 05.11.2024 (Europe/Berlin / UTC100)
Margarete-Bieber-Saal, Ludwigstraße 34, 35390 Gießen
Für angemeldete Teilnehmer:innen; mit öffentlicher Keynote am 4.11.2024 um 18:30 Uhr von Ulrike Marz: "Materialismus und Psychologie: Bezugspunkte einer Kritischen Theorie des Rassismus"
Mit der Kritischen Theorie wurde Anfang der 1930er Jahre, wie Christian Voller jüngst schrieb, eine „originelle Form des historischen Materialismus“ (Voller 2023) begründet. Die Kritische Theorie um Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Leo Löwenthal und Herbert Marcuse nimmt ihren Ausgang mit Marx/Engels bei den gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen, deren Vorstellung vom Kapitalismus als sozialem Verhältnis und orientiert sich an deren Ideologiekritik und dem Entfremdungskonzept. Sie übernimmt von Georg Lukács dessen Vorstellung einer gesellschaftlichen Totalität, die als von der Warenform vollständig usurpiert betrachtet wird sowie dessen Begriff der Verdinglichung. Die frühe Kritische Theorie weist allerdings die teleologische Ausrichtung „des Marxismus“ und die Vorstellung eines revolutionären Subjekts, das sich in der Arbeiter*innenklasse finden ließe nicht erst vor dem Hintergrund der problemlosen Einspannung der proletarischen Massen in den Nationalsozialismus vehement zurück.
Warum schließen sich Menschen antidemokratischen Bewegungen an? Was unterscheidet die für menschenfeindliche Propaganda Empfänglichen von den Immunen? Welche Menschen sind in besonderer Weise ansprechbar für Faschismus und Antisemitismus? Diese (bis heute dringlichen) Fragen, die die Studien zum autoritären Charakter antrieben (Adorno u.a. 1950; Adorno 1973), lassen sich allein mit materialistischen, insbesondere ideologiekritischen Zugängen nicht hinreichend beantworten. Grund für die spätere Aufnahme von Psychoanalyse war, so Horkheimer/ Adorno, „der Widerspruch zwischen den handgreiflichen Interessen der Massen und der faschistischen Politik […], für die sie sich enthusiastisch einspannen ließen“ (Horkheimer/ Adorno 1957). Weil sich im Spätkapitalismus Entscheidendes der Vergesellschaftung im Subjekt abspielt (rezipiert wird hier keineswegs ein plattes Basis-Überbau-Modell), wird für Kritische Theorie deshalb auch die Psychologie – insbesondere die Freud‘sche Psychoanalyse – zu einem zentralen theoretischen Referenzpunkt.
Dieses Amalgam aus Marx und Freud, gesellschaftstheoretischem Objektivismus und psychoanalytischer Innenschau, wird also ab den 1930er Jahren das Signum Kritischer Theorie. Während die frühe Kritische Theorie ihre Analysen auf die Kritik des Antisemitismus fokussierte, blieb der Rassismus als eigenständiges Phänomen für eine kritisch-theoretische Perspektive allerdings unterbestimmt. Im Vortrag soll gezeigt werden, dass die beiden zentralen Referenzen – Materialismus und Psychologie – auch für eine Analyse und Kritik des Rassismus wichtig bleiben. Denn die Vermittlung von materialistischer Ideologiekritik und der Psychoanalyse – in Anerkennung ihrer jeweiligen Grenzen – trägt zum Verständnis des Rassismus in seinen heutigen Formen bei.