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Otto Eger: Neue Gesamtbewertung

Keine Gedenktafel der Justus-Liebig-Universität Gießen – Gemeinsames Gespräch von Universitätspräsidium, Oberbürgermeisterin der Stadt Gießen und Geschäftsführer des Studentenwerks Gießen zur Neubewertung der umstrittenen Persönlichkeit

Nr. 157 • 29. August 2014


In einem neuen Licht stellt sich der Fall Otto Eger dar. Die Analyse bislang nicht vollumfänglich beachteter Dokumente in ihrem historischen Kontext lassen eine insgesamt eher positive Gesamtbewertung der umstrittenen Persönlichkeit Otto Egers aus Sicht der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) nicht mehr zu. Aus diesem Grund nimmt die JLU Abstand von dem Vorhaben, eine Gedenktafel im kürzlich sanierten „Otto-Eger-Heim“ zu erstellen. In einem gemeinsamen Gespräch kamen JLU-Präsident Prof.  Dr. Joybrato Mukherjee, Kanzler Dr. Michael Breitbach, die Oberbürgermeisterin der Stadt Gießen, Dietlind Grabe-Bolz, der Geschäftsführer des Studentenwerks Gießen, Ralf Stobbe, sowie die Leiterin des Universitätsarchivs, Dr. Eva-Marie Felschow, übereinstimmend zu einer neuen Gesamtsicht.

Wesentlicher Anlass dieser veränderten Einordnung Otto Egers ist ein – inzwischen auch öffentlich auf dem Gießen-Server  (www.giessen-server.de) im vollen Wortlaut publiziertes – Dokument im Zusammenhang mit Otto Egers Verhalten im Gießener Konzertverein vom 11. Oktober 1933. Es handelt sich um ein Schreiben des Gießener Konzertvereins an die Stadtverwaltung, das Otto Eger als stellvertretender Vorsitzender – gemeinsam mit drei weiteren Mitgliedern – persönlich und handschriftlich unterschrieben hat. Der Erste Vorsitzende des Konzertvereins, der Theologe Gustav Krüger, hat hingegen nicht unterschrieben.

In diesem Schreiben wird die Stadtverwaltung aufgefordert, an der Neugestaltung des Konzertvereins im nationalsozialistischen Sinne mitzuwirken. Mit dem Schreiben versucht der Konzertverein offenbar, durch eine Bejahung nationalsozialistischen Gedankenguts und durch die Beförderung seiner eigenen Gleichschaltung im Sinne des Nationalsozialismus, seine Existenz zu sichern. Das Schreiben ist durchgängig im NS-Jargon abgefasst. Es ist darin von „artfremder und zersetzender Musik“ die Rede, die es „abzuwehren“ gelte. Gefordert wird eine „von einem einheitlichen Führerwillen geleitete, kulturbewusste und deutschbewusste Betreuung des Musiklebens“, um so zu verhindern, dass das „Musikleben in die Hände jüdischer Agenten“ übergehe. Mit diesem Schreiben zeigt sich Otto Eger bewusst und proaktiv als Vertreter  der nationalsozialistischen Ideologie.

Obwohl die genaueren Umstände und Motive, die zu diesem Schreiben geführt haben, bislang nicht bekannt sind, erscheint trotz Otto Egers allseits anerkannten besonderen sozialen Engagements für die Studierenden eine Vorbildfunktion seiner Person nicht mehr angezeigt. Die Bezeichnung „Otto-Eger-Heim“ für das Studentenwohnheim mit integrierter Mensa im Leihgesterner Weg ist daher vor diesem Hintergrund zu überdenken; die mit dieser Benennung einhergehende Würdigung Otto Egers im öffentlichen Raum ist aus Sicht der JLU nicht vermittelbar. Die JLU empfiehlt daher dem Studentenwerk, das bekannte und denkmalgeschützte Gießener Gebäude umzubenennen. Die Stadt Gießen schließt sich dieser Einschätzung an.

Die Stadt, das Studentenwerk und die JLU werden die Öffentlichkeit zeitnah über die weiteren Schritte informieren.  

 

Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, Telefon 0641 99-12041